Autoren: Michael Böcher und Stefan Iske
1 Veranstaltungsbeschreibung und Ziel
Das Ziel des Lehrprojektes „Nachhaltigkeit im Film“ (MA) war die Analyse ausgewählter Spielfilme in Hinblick auf Nachhaltigkeitspolitik sowie im Hinblick auf Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE). Studierende sollten sich kritisch-analytisch mit Möglichkeiten und Grenzen der popkulturellen Vermittlung gesellschaftlicher Kontroversen und Themen mit Nachhaltigkeitsbezug durch das Medium „Spielfilm“ auseinandersetzen. Die ausgewählten Filme basierten auf Vorschlägen der Lehrenden, die die Studierenden ergänzten. Grundlegende inhaltlichen Fragen bezogen sich einerseits aus politikwissenschaftlicher Perspektive auf die Art und Weise der filmischen Darstellung verschiedener nachhaltigkeitsbezogener Aspekte (z.B. die Rolle von Wissenschaft und Politik in Nachhaltigkeitskonflikten, Ressourcenkonflikte u.ä.), die vor dem Hintergrund entsprechender Fachliteratur gespiegelt wurden.
Aus medienbildnerischer Perspektive wurden die im Film dargestellten Umgangsweisen mit nachhaltigkeitsbezogenen Aspekten in den Blick genommen, u.a. Fragen der Veränderung der Selbst- und Weltverhältnisse von Filmcharakteren und welche Antworten auf Nachhaltigkeit als pädagogische Herausforderung im Film nahegelegt werden. Das Seminar verband beide Perspektiven, indem interdisziplinäre Teams von Studierenden gebildet wurden. Dies förderte die Kompetenz, sich in grundlegende Perspektiven der jeweils anderen Disziplin bzw. Studiengänge einzuarbeiten und sich sowohl mit wissenschaftlicher Fachliteratur als auch mit Filmen intensiv und interdisziplinär auseinanderzusetzen. Methodisch basierte das Seminar auf Formaten des Erarbeitens von Inhalten in studentischen Kleingruppen, Präsentationen, Gruppendiskussionen, kollegialen Beratungen und des Arbeitens mit neuartigen Methoden und Tools der Filmanalyse („Lichtblick“). Die Studierenden konnten von Beginn des Seminars an mit ihrer Arbeit beginnen und hielten den Lernfortschritt in Lernportfolios fest. Ziel der Kooperation war, den Teilnehmenden besondere Möglichkeiten und Räume zur interdisziplinären Zusammenarbeit zu ermöglichen (die Studierenden arbeiteten dabei immer in interdisziplinären Teams unterschiedlicher Studiengänge) und einen wissenschaftlichen Mehrwert als Basis einer qualitativ hochwertigen Hochschullehre zu aktivieren.
Im Verlauf des Lehrprojektes wurden (1) Grundlagen der politikwissenschaftlichen Nachhaltigkeitsforschung sowie Grundlagen der Bildung für Nachhaltige Entwicklung erarbeitet, (2) Kriterien zur Filmanalyse entwickelt; (3) Methodische und handlungsorientierte Grundlagen der Filmanalyse erprobt; (4) interdisziplinäre studentische Projektteams gebildet, welche die zuvor erarbeiteten inhaltlichen und methodischen Grundlagen auf einen ausgewählten Film mit Hilfe des Filmanalyse-Tools
„Lichtblick“ anwendeten. Die Studierenden präsentierten regelmäßig Zwischenstände und diskutierten dabei mögliche Probleme. (5) Die Arbeitsergebnisse der Gruppen wurden schließlich im Rahmen einer „Mini-Konferenz“ am Ende des Semesters am 07. Juli 2023 präsentiert und diskutiert. Darüber hinaus zielte dieses Format auf die Simulation einer Konferenz und die Erprobung wissenschaftlicher Präsentationstechniken und Diskussionsformate.
Ein Beispiel für ein Gruppenarbeitsergebnis, die Präsentation zum Film „The Day After Tomorrow“ (Roland Emmerich), die mit dem Filmanalysetool „Lichtblick“ erstellt wurde, kann hier angesehen werden.
(Erklärvideo zu „Lichtblick“ als Werkzeug zur Filmanalyse)
2 Erfolge und besondere Leistung in der politikwissenschaftlichen Lehre und Erfolg des Lehrprojektes
Erfolge und die besondere Leistung in der politikwissenschaftlichen Lehre sehe ich im spezifischen und für die Lehre innovativen Zusammenwirken der folgenden Aspekte:
Über dem Tellerrand hinaus: Die Verbindung von politikwissenschaftlicher Nachhaltigkeitsforschung und aktuellen Ansätzen der Filmanalyse ermöglichte es allen Teilnehmenden inklusive der Lehrenden, über den eigenen Tellerrand zu schauen und sich Kenntnisse anzueignen, die weit über die eigene disziplinäre Lehre hinausgingen. Erst die Kooperation zwischen Politikwissenschaft (Nachhaltigkeitspolitikanalyse) und Medienbildung (Bildung für Nachhaltige Entwicklung) in Bezug auf die Analyse einschlägiger fiktionaler Spielfilme ermöglichte das Erreichen von Lernzielen, die mit klassischen disziplinären Fokussierungen nicht vermittelbar gewesen wären. Die Zusammenarbeit zwischen Studierenden unterschiedlicher Studiengänge und Lehrenden unterschiedlicher Disziplinen sorgte für einen „Added Value“, der mit einer rein politikwissenschaftlichen Veranstaltung nicht zu erzielen gewesen wäre. So zeigt sich der außergewöhnlich gute Erfolg des Lehrprojektes z.B. in den Statements/Rückmeldungen der Studierenden (Anlage) sowie der Videoaufzeichnung der Gruppenpräsentation „The Day After Tomorrow“ (s. Anlage).
Interdisziplinarität mit Mehrwert: Bei aktuellen Themen wie Nachhaltigkeit wird sowohl im Praxis- als auch Wissenschaftsdiskurs immer wieder die Bedeutung der Interdisziplinarität betont. Bei der Konzeption von Curricula in der hochschulischen Bildung geht es immer häufiger um interdisziplinäre Fähigkeiten der Studierenden, die in „optionalen Bereichen“ oder Formaten des „Studium Generale“ abgebildet werden. Doch interdisziplinäre Zusammenarbeit ist oft schwierig und scheitert im Hochschullehrkontext bereits an Formalien wie unterschiedliche Zeitschienen oder CP-Anforderungen. Das Seminar ist ein Erfolgsbeispiel, wie diese Anforderungen umgesetzt werden können.
Innovatives Thema mit Anschluss an die Lebenswelt der Studierenden: Spielfilme sind Gegenstand der Alltags- und Popkultur. Studierende verfügen über Erfahrungen mit dem Betrachten von Filmen, haben sich jedoch bislang kaum wissenschaftlich mit Filmen als Reflexions- und Transportmedium bestimmter „Messages“ und Formaten zur Vermittlung politischer Konflikte befasst. Die Analyse der Filme ermöglichte einerseits einen niederschwelligen Einstieg in den Diskurs politikwissenschaftlicher Fragen. Andererseits kann die Beschäftigung mit Filmen Irritationen und „A-ha-Erlebnisse“ erzeugen, die im weiteren Studium zur vertieften Beschäftigung mit Filmen und / oder den politikwissenschaftlichen Themen des Seminars anregen.
Weitere Materialien:
Über die Autoren:
Michael Böcher ist Professor für Politikwissenschaft mit Schwerpunkt Nachhaltige Entwicklung an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg.
Stefan Iske ist Professor für Pädagogik und Medienbildung an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg.
Über die Reihe „Herausragende Lehre in der deutschen Politikwissenschaft“
Dieser Beitrag wurde für den Lehrpreis Politikwissenschaft 2024 eingereicht. Der gemeinsame Preis von DVPW und Schader-Stiftung wurde 2020 neu geschaffen, um die besondere Bedeutung der politikwissenschaftlichen Hochschullehre sichtbar zu machen und die Qualität der Lehre in der deutschen Politikwissenschaft zu stärken. Der Lehrpreis Politikwissenschaft wurde in diesem Jahr an Prof. Dr. Sandra Destradi für ihr Lehrprojekt „How to Study the International Effects of Populism”, durchgeführt im Sommersemester 2023 an der Albert-Ludwigs Universität Freiburg, verliehen. Die Jury möchte mit dieser Blog-Reihe die Vielzahl der Einreichungen innovativer und didaktisch anspruchsvoller Lehrprojekte würdigen.
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