Bei der Analyse des Wahlverhaltens hat sich in den letzten Jahren vermehrt gezeigt, dass neben den klassischen Ansätzen (rational choice, makro-/mikrosoziologisch, langfristige Parteiidentifikation) auch psychologische Ansätze (z.B. Big Five) erklärungskräftig sind. Angesichts steigender Volatilität bei Wahlen überprüfen wir, basierend auf drei Wellen des Politikpanel Deutschland aus den Jahren 2022 und 2023, inwiefern bestimmte Persönlichkeitsmuster gemessen über die Big Five (a) mit dem Wechsel der Wahlabsicht generell und (b) mit der Populismusanfälligkeit, operationalisiert über den Wechsel hin zur AfD, zusammenhängen. Es zeigt sich, dass Offenheit und Gewissenhaftigkeit direkt die Wahrscheinlichkeit erhöhen, die eigene Wahlabsicht zu wechseln. Ein direkter Effekt der Big Five auf den Wechsel zur AfD lässt sich nicht feststellen. Mediationsanalysen zeigen allerdings, dass die Persönlichkeitsstruktur über die politisch-ideologische Selbstverortung indirekt die Populismusanfälligkeit bedingen kann.
Emotionen prägen politische Themen und Debatten – und damit auch den Politikunterricht. Eine aktuelle Analyse von 1.500 Fortbildungen für Lehrkräfte zeigt jedoch, dass Emotionen in den Professionalisierungangeboten bislang kaum von Relevanz sind. Das ist problematisch, denn ohne den bewussten Umgang mit Wut, Angst oder Hoffnung laufen Lehrkräfte Gefahr, wichtige Diskussionen im Klassenzimmer zu vermeiden. Der Beitrag beleuchtet, wo die größten Lücken liegen und warum es dringend Zeit ist, emotionale Kompetenzen in der Lehrkräftebildung zu stärken.
Die Vermessung der Publikationslandschaft und Analyse von Publikationsnetzwerken ermöglichen Aussagen zu Reichweite und Einfluss von Forschung. Damit wird ein „Impact“ unterstellt, der auf quantitativen Daten beruht, aber zu qualitativen Aussagen führt. Der Blogbeitrag thematisiert diese Situation und berichtet von alternativen Wegen der Evaluation.
Die Frage, ob TikTok der AfD zu Stimmenzuwächsen unter jungen Wählenden verhilft, wird häufig in der öffentlichen Debatte diskutiert. Ergebnisse einer neuen Studie zur Social-Media-Nutzung während der Europawahl 2024 zeigen jedoch: Erhöhte TikTok-Nutzung führt nicht unbedingt zur Stimmabgabe für die AfD.
Die Minderpräsenz von Ostdeutschen in Spitzenpositionen verschiedener Bereiche wie im Öffentlichen Dienst oder der Wirtschaft, die als eine Ursache für die im Osten Deutschlands größere Unzufriedenheit mit der Demokratie der Bundesrepublik Deutschland gilt, trifft nicht auf die Vertretung von Ostdeutschen in den Bundesvorständen der politischen Parteien zu. Vielmehr weisen die Parteien je nach Vergleichsmaßstab und Definitionskriterium für eine ostdeutsche Zugehörigkeit sogar häufig eine Überrepräsentation auf. Ein Blick auf die Parteien kann lohnend für die breitere Repräsentationsdebatte sein.
SOCIOS ist eine neue Open-Peer-Review-Plattform für Preprints aus den Sozialwissenschaften, die für die Politikwissenschaft spannende Möglichkeiten für frühe Diskussionen und transparentes Feedback aus der Fachcommunity bietet. Als gemeinsames Kooperationsprojekt mehrerer sozialwissenschaftlicher Fachinformationsdienste, darunter dem Pollux für die Politikwissenschaft, stärkt SOCIOS den disziplinübergreifenden Dialog und macht offene Wissenschaft sichtbar und anschlussfähig.
Ein Vierteljahrhundert ist vergangen, seit Scharpf seine Theorie zur Asymmetrie zwischen negativer und positiver Integration in seinem Buch „Regieren in Europa: Effektiv und demokratisch?“ ausformulierte. Die Frage, inwieweit seine Diagnose noch zum Verständnis des Integrationsgeschehens beiträgt, wird in den letzten Jahren in Politik- und Rechtswissenschaften kritisch diskutiert. Wir haben unsere Sicht der Dinge in einem frisch erschienen Beitrag in der Politischen Vierteljahresschrift dargestellt, dessen Ergebnisse wir hier zusammenfassen. Wir bezweifeln, dass die europäische Wirtschafts- und Sozialintegration die von Scharpf diagnostizierten Probleme hat überwinden können.
Peer Review gilt seit über 300 Jahren als Goldstandard wissenschaftlicher Qualitätssicherung. Doch ist das klassische Verfahren noch zeitgemäß? In einer zunehmend offenen Wissenschaftslandschaft wächst die Kritik – zu intransparent, zu langsam, zu wenig Anerkennung für Reviewer*innen. Open Peer Review verspricht Antworten, doch ein nachhaltiger Wandel erfordert mehr als gute Argumente.
In demokratischen Rechtsstaaten haben wir den Anspruch, dass transparente, neutrale, faire und nachvollziehbare Verwaltungsentscheidungen getroffen werden. KI-Anwendungen zur Bewertung von Szenarien werden allerdings oft als „Black Boxes“ empfunden. Der gängige Fall ist, dass menschliche Entscheider*innen Informationen heranziehen, die durch eine (wie auch immer geartete) KI in wenig nachvollziehbarer Weise generiert wurden – es besteht also eine Mensch-Maschine-Interaktion. Ein aktueller Beitrag in der Zeitschrift dms untersuchte, mit welcher Intention junge Verwaltungsentscheider*innen KI-generierte Informationen verwenden würden. Dazu wurden vier verschiedene Intentionen voneinander unterschieden: (1) eine direkte Übernahme der KI-Entscheidung, (2) eine reflektierte Entscheidung unter Berücksichtigung der KI-Empfehlung, (3) eine reine Kenntnisnahme der Empfehlung sowie (4) ein Ignorieren des KI-Systems. Jede Nutzungsintention ließ sich unterschiedlich durch die Faktoren Einfachheit der Nutzung, Systemleistung, Kompetenzerleben, KI-Expertenvertrauen und KI-Überlegenheit erklären.
Flucht und Migration sind auch international politisch hoch umstrittene Themen. Infolgedessen ist die formale Politikgestaltung in diesem Feld häufig erschwert. Dies führt dazu, dass internationale Organisationen über nur stark begrenzte Mandate verfügen. In diesem Beitrag zeige ich, dass internationale Akteure trotz fehlender umfassender offizieller Kompetenzen die globale Migrations- und Asylpolitik gestalten – durch ihre Praxis vor Ort. Durch improvisierte Entscheidungen im Feld und die anschließende Stabilisierung lokaler Lösungen regieren sie Asyl und Migration auf informelle Art und Weise.