Deutsche Vereinigung für Politikwissenschaft

How to Study the International Effects of Populism

Autorin: Sandra Destradi

Das Seminar “How to Study the International Effects of Populism” fand im Sommersemester 2023 an der Universität Freiburg statt. Es handelte sich um ein forschungsorientiertes englischsprachiges Seminar für Master-Studierende. Das Seminar hatte das Ziel, die Studierenden an die eigenständige Erarbeitung von Forschungsdesigns in einem innovativen Forschungsbereich in den Internationalen Beziehungen (IB) heranzuführen. Darüber hinaus sollten die Studierenden lernen, an einer wissenschaftlichen Diskussion teilzunehmen und über ihre Projekte zu diskutieren.

Die Besonderheit des Seminars bestand darin, dass die Studierenden, nach einer intensiven Phase der Einarbeitung in die Literatur, eigene Forschungsdesigns in Kleingruppen entwickelten, Poster vorbereiteten, und am Ende des Seminars an einem eigens für die Lehrveranstaltung organisierten internationalen Workshop teilnahmen. Dort diskutierten sie mit führenden Expert*innen über deren Papiere und stellten ihre eigenen Forschungsdesigns vor. Die Lehrveranstaltung gliederte sich somit in mehrere Phasen:

1. Einarbeitung in die Literatur eines sich entwickelnden Forschungsfelds

Die politikwissenschaftliche Forschung zu Populismus ist lange etabliert, aber die Untersuchung der Auswirkungen des Populismus auf die internationale Politik ist ein sehr junges Forschungsfeld, das Sandra Destradi in den vergangenen fünf Jahren mit geprägt hat. Dieses forschungsorientierte Seminar hatte das Ziel, die Studierenden an ein sich im Entstehen befindendes Feld in den Internationalen Beziehungen heranzuführen und ihnen das Werkzeug zu geben, um eigene Forschungsprojekte zu entwickeln, die Neuland betreten. In den ersten Seminarwochen arbeiteten sich die Studierenden in unterschiedliche Definitionen von Populismus sowie in die bisher bestehende Literatur zu den internationalen Auswirkungen des Populismus ein.

2. Entwicklung von Forschungsdesigns in Kleingruppen

Auf Grundlage der erworbenen Kenntnisse entwickelten die Studierenden in einer zweiten Seminarphase in Kleingruppen eigene Forschungsdesigns. Sie stellten die ersten Ideen hierzu im Seminar vor und gaben sich gegenseitig Feedback. In Gruppensprechstunden wurden die Forschungsdesigns konkretisiert. Sie sollten so konzipiert sein, dass alle Mitglieder einer Kleingruppe unter einer gemeinsamen übergeordneten Fragestellung bereits ein Thema für die eigene Hausarbeit entwickeln und sich hierzu im Laufe des Seminars in mehreren Stufen Feedback holen konnten (peer feedback im Seminar, Feedback durch die Dozentin in der Sprechstunde, und Feedback durch die zum Workshop eingeladenen Wissenschaftler*innen).

3. Vorbereitung von Forschungspostern

Im Vorfeld des Workshops bereitete jede Kleingruppe ein Forschungsposter vor, in dem das eigene Forschungsdesign vorgestellt wurde. Folgende Themen bzw. Forschungsfragen wurden von den Studierenden entwickelt und auf Postern dargestellt:

  • European Right-Wing Populists and International Climate Policy
  • How do populist leaders engage in peace-making?
  • Populists of the world unite? How do populists from different nations interact with one another?
  • The relationship between populists and authoritarians: Are populists more amicable towards authoritarian leaders?

Es handelt sich dabei um höchst innovative Fragestellungen, die bisher in der Forschung nicht systematisch bearbeitet wurden. Die Studierenden entwickelten dementsprechend eigenständig Forschungsdesigns, die tatsächlich Neuland betreten.

4. Präsentation der Poster und Diskussion mit Wissenschaftler*innen auf internationalem Workshop

Mit Mitteln aus einem Programm zur Abmilderung pandemiebedingter Lernrückstände konnte am 6.-7. Juli 2023 an der Universität Freiburg ein internationaler Workshop organisiert werden, für den einige der führenden Wissenschaftler*innen aus dem jungen Forschungsbereich zu Populismus und internationaler Politik sowie einige early career researchers, die in diesem Bereich arbeiten, gewonnen werden konnten.

Die Studierenden nahmen an dem gesamten zweitägigen Workshop teil. Um die Atmosphäre möglichst kollegial und wenig hierarchisch zu halten, saßen internationale Teilnehmende und Studierende zusammen an einem großen Tisch in U-Form. Der Workshop beinhaltete sechs Panels mit jeweils zwei Papieren, die den Studierenden im Vorfeld zugänglich gemacht wurden. Die Studierenden beteiligten sich an der Diskussion der Papiere und stellten Fragen.

Am Vormittag des 7. Juli fand eine Poster-Session statt, in der die Kleingruppen der Studierenden ihre jeweiligen Forschungsdesigns vorstellten. Die internationalen Gäste bewegten sich im Raum von einer Gruppe zur anderen und gaben den Studierenden Feedback zu ihren Forschungsdesigns. Der Austausch in der Poster-Session wurde von den Studierenden als sehr bereichernd wahrgenommen, weil die externen Gäste sich Zeit nahmen, um über ihre geplanten Projekte zu sprechen und ihnen Empfehlungen zur Umsetzung in den Hausarbeiten gaben. Außerdem hoben die Studierenden in ihrem Feedback hervor, dass sie es sehr interessant gefunden hätten, „echte“ wissenschaftliche Diskussionen mit zu verfolgen, zu beobachten wie sich Wissenschaftler*innen gegenseitig Feedback geben und mitzukriegen, wie ein Forschungsfeld sich schrittweise entwickelt. Auch die eingeladenen Wissenschaftler*innen gaben ein sehr positives Feedback zur Poster-Session: sie berichteten, sie hätten die Projektideen der Studierenden innovativ und inspirierend gefunden. Auch das Format hätte ihnen sehr gut gefallen.

Die Lernziele des Seminars wurden erreicht: durch die Integration des Workshops in das Master-Seminar lernten die Studierenden, Forschungsdesigns zu innovativen Fragestellungen in Kleingruppen zu entwickeln; ihre Ideen im Poster-Format darzustellen und diese in einer Poster-Session zu präsentieren (teilweise an Wissenschaftler*innen, deren Aufsätze sie im Seminar als Grundlagentexte gelesen hatten!); Feedback anzunehmen und auf Fragen zu ihren Forschungsdesigns zu reagieren; an einer wissenschaftlichen Veranstaltung teilzunehmen und auf Augenhöhe mit Expert*innen zu diskutieren. Zudem bekamen die Studierenden Einblicke in laufende Forschungsprozesse zu einem höchst relevanten und aktuellen Thema.

Das Format ist zwar aufgrund der Kosten für die Einladung externer Gäste nicht in jedem forschungsorientierten Seminar replizierbar – gleichzeitig ist es mit etwas Vorarbeit durchaus möglich, ohnehin geplante wissenschaftliche Workshops in eine Lehrveranstaltung auf Master-Niveau einzubetten und dadurch die Studierenden ganz konkret an der Entstehung von Forschungsergebnissen teilhaben zu lassen.

Weitere Materialien:

 

 

 

 

Über die Autorin:

Sandra Destradi ist Professorin für Internationale Beziehungen an der Universität Freiburg, und derzeit als DAAD Langzeitdozentin an der Reichman University in Herzliya, Israel.

 

 

 

Über die Reihe „Herausragende Lehre in der deutschen Politikwissenschaft“
Dieser Beitrag wurde für den Lehrpreis Politikwissenschaft 2024 eingereicht. Der gemeinsame Preis von DVPW und Schader-Stiftung wurde 2020 neu geschaffen, um die besondere Bedeutung der politikwissenschaftlichen Hochschullehre sichtbar zu machen und die Qualität der Lehre in der deutschen Politikwissenschaft zu stärken. Der Lehrpreis Politikwissenschaft wurde in diesem Jahr an Prof. Dr. Sandra Destradi für ihr Lehrprojekt „How to Study the International Effects of Populism”, durchgeführt im Sommersemester 2023 an der Albert-Ludwigs Universität Freiburg,  verliehen. Die Jury möchte mit dieser Blog-Reihe die Vielzahl der Einreichungen innovativer und didaktisch anspruchsvoller Lehrprojekte würdigen.

 

 

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