Deutsche Vereinigung für Politikwissenschaft

Hochschulübergreifender Wettbewerb: NRW debattiert Europa 2024

Autor*innen: Liesa Döpcke, Matthias Freise, Michael Kaeding und Sammy Siegel

Ziel des Projekts ist es, den Fokus auf den häufig vernachlässigten deliberativen Teil der Politikwissenschaft zu legen, der darauf abzielt, den Studierenden praktische politikwissenschaftliche Kernkompetenzen zu vermitteln. Dazu zählt unter anderem der Erwerb von europapolitischem Wissen. So bereiten die Studierenden mehrere Diskussionsthesen vor, indem sie sich mit den Argumenten beider Seiten auseinandersetzen. Eine intensive Vorbereitung, gepaart mit einem guten europapolitischen Kenntnisstand, ist dabei essenziell, da nur dieser erlaubt, auf die Argumente der Gegenseite eingehen zu können. Die Position, welche die Gruppen innerhalb einer Debatte einnehmen werden, wird zugelost. Die Studierenden sind also gezwungen, neue Perspektiven einzunehmen und sich mit den Argumenten beider Seiten auseinanderzusetzen. Zu diesem Zweck sollen sie in die Lage versetzt werden, fachlich richtige und angemessen belegte Argumente zu äußern. Auch die Rhetorik der Studierenden wird hierbei geschult, indem ihnen vermittelt wird, wie man seiner eigenen Rede mittels rhetorischer Figuren und dem Einsatz von Stilmitteln Nachdruck verleihen kann. In Kombination mit einer bewusst gewählten Mimik, Gestik und dem Einsatz von Augenkontakt gilt es die Jury und die Zuschauer*innen anzusprechen und von sich zu überzeugen. Das Wartburger Debattenformat, das von uns erweitert und angepasst wurde, erlaubt die Interaktion und den Austausch mit der Gegenseite und dem Publikum, wodurch zu einer fundierten Auseinandersetzung mit verschiedenen Positionen angeregt wird.

Der Ablauf von NRW debattiert Europa 2024 hat sich wie folgt gestaltet: Im Vorfeld wurden die Studierenden an den teilnehmenden Universitäten auf die Debatten vorbereitet. Dies geschah in Duisburg und Münster in darauf ausgelegten Begleitseminaren, in welchen den Studierenden die oben aufgeführten Kernkompetenzen vermittelt wurden. Zu diesem Zweck fanden in den beiden Universitäten auch universitätsinterne Vordebatten statt. Diese dienten neben der Verinnerlichung der Kernkompetenzen und der Vorbereitung auf das Finale auch der Bestimmung der letztendlichen Kandidat*innen, welche die Universität bei dem Finale in Duisburg vertreten haben. Die großangelegte ganztägige Debattierveranstaltung in Duisburg wurde sorgfältig vorbereitet. So wurden Moderator*innen für die Debatten gestellt und eine unabhängige Jury angeworben, welche sich aus Personen aus Politik, Verbänden und Wissenschaft zusammengesetzt hat. Ihre Aufgabe war es, auf Basis klar formulierter Kriterien die Studierenden zu bewerten. Die Veranstaltung hatte eine klassische Turnierstruktur. So gab es zunächst zwei Gruppenrunden, in welchen sich den ersten beiden Diskussionsthesen gewidmet wurde. Auf Basis der in den Gruppenrunden vorgenommen Bewertungen seitens der Jurymitglieder wurden dann die Finalist*innen bestimmt. Hervorzuheben ist, dass es sowohl einen englischen als auch einen deutschen Turnierbaum und ein separates Finale für beide Sprachen gab. Die letztendlichen Sieger*innen wurden gemeinsam durch die Jury und einer Abstimmung seitens der Teilnehmenden bestimmt.

Im Rahmen von NRW debattiert Europa wurden den Studierenden folgende Kompetenzen vermittelt:

  1. Es wurde die Erlangung von europapolitischem Wissen gefördert, auf dessen Grundlage eine fachlich geführte Debatte möglich wurde. Die Studierenden haben gelernt, fachlich richtige und angemessen belegte Argumente einzuführen, als auch auf Basis des eigenen umfangreichen Wissens auf die Argumente der Gegenseite eingehen zu können.
  2. Die Studierenden haben gelernt, wie sie Ihren eigenen Argumenten durch Mimik, Augenkontakt, Gestik und eine klare Ausdrucksweise Nachdruck verleihen können.
  3. Die Studierenden wurden befähigt eine klare Argumentationsstruktur zu entwickeln und rhetorische Mittel zu verwenden, um Jury und Zuschauer*innen von sich zu überzeugen.
  4. Das Projekt hat den schlagfertigen Austausch gefördert, bei gleichzeitigem Respekt vor der Gegenseite. Dabei wurde sich bei den Debatten auf das Wartburgformat gestützt, welches eine intensive Interaktion vorsieht.

NRW debattiert Europa 2024 trägt einen besonderen Beitrag zur politikwissenschaftlichen Hochschullehre bei, da die Studierenden relevante Kernkompetenzen im deliberativen Teil der Politikwissenschaft erlangen. Dabei hebt sich das Format durch die Verknüpfung von Fachwissen und Debattier- und Diskussionsfähigkeiten ab. Während Fachwissen in allen Lehrveranstaltungen vermittelt wird, leistet NRW debattiert Europa 2024 durch die Darlegungsform in Debattenbeiträgen einen besonderen Beitrag zum Erwerb weiterer Kernkompetenzen. Dabei verlassen die Studierenden ihr gewohntes Umfeld der Heimatuniversitäten und stellen sich am Campus Duisburg der Herausforderung, mit Studierenden anderer Universitäten und dem Publikum in den Austausch zu gehen. Die erworbenen Fähigkeiten haben für den späteren Berufsalltag hohe Relevanz (beispielsweise wurde Mathilde Oliver, Finalistin von NRW debattiert Europa 2016, 2023 zur jüngsten französischen Senatorin gewählt). Gleichzeitig schult die Veranstaltung demokratische Grundfähigkeiten, die jeder Politikwissenschaftler und jede Politikwissenschaftlerin neben Fachwissen aus dem Studium mitnehmen sollte. NRW debattiert Europa 2024 verkörpert gelebte Demokratie in Zeiten, in denen wir eine wehrhafte Demokratie benötigen und reicht dabei weit über ähnliche Wettbewerbe an Schulen hinaus, weil das Debattierformat mit politikwissenschaftlicher Hochschullehre in den vorbereitenden Seminaren verzahnt wird.

Eine Dokumentation des Debattierwettbewerbs, der 2024 bereits in der neunten Auflage durchgeführt wurde, findet sich hier.

In einem Beitrag in der Zeitschrift für Politikwissenschaft 2018 haben Matthias Freise und Michael Kaeding ihre Erfahrung mit dem Debattierwettbewerb als didaktisches Instrument ausführlich dargelegt. Der Aufsatz kann hier heruntergeladen werden.

 

 

 

Über die Autor*innen:

Liesa Döpcke ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Politikwissenschaft der Universität Duisburg-Essen.

Matthias Freise ist außerplanmäßiger Professor und Akademischer Oberrat an der Universität Münster.

Michael Kaeding ist Professor für Europäische Integration und Europapolitik am Institut für Politikwissenschaft der Universität Duisburg-Essen.

Sammy Siegel ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Europäische Integration und Europapolitik im Rahmen des Horizon Europe Projekts InvigoratEU.

 

 

Über die Reihe „Herausragende Lehre in der deutschen Politikwissenschaft“

Dieser Beitrag wurde für den Lehrpreis Politikwissenschaft 2024 eingereicht. Der gemeinsame Preis von DVPW und Schader-Stiftung wurde 2020 neu geschaffen, um die besondere Bedeutung der politikwissenschaftlichen Hochschullehre sichtbar zu machen und die Qualität der Lehre in der deutschen Politikwissenschaft zu stärken. Der Lehrpreis Politikwissenschaft wurde in diesem Jahr an Prof. Dr. Sandra Destradi für ihr Lehrprojekt „How to Study the International Effects of Populism”, durchgeführt im Sommersemester 2023 an der Albert-Ludwigs Universität Freiburg,  verliehen. Die Jury möchte mit dieser Blog-Reihe die Vielzahl der Einreichungen innovativer und didaktisch anspruchsvoller Lehrprojekte würdigen.

 

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