Um die Relevanz der Politikwissenschaft dreht sich eine fortlaufende Debatte innerhalb der Disziplin. In einer neuen Studie stellen wir empirische Daten zur Politikberatungstätigkeit von Politikwissenschaftler*innen an deutschen Universitäten vor und zeigen, dass das Aktivitätsniveau höher ist, als es manche kritische Stimme vermuten ließe. Es zeigt sich ein vielfältiges Bild politikberatender Tätigkeiten; allgemeine Aktivität und Akzeptanz der Politikberatung erscheinen hoch. Politikberatung findet allerdings in eher akademischer Arbeit naher Form statt, z.B. über Publikationstätigkeiten. Gleichzeitig zeigt sich, dass „aktivere“ Kolleg*innen eher unbefristete Verträge haben sowie eher männlich sind.
Die Kategorie des „Globalen“ wird einerseits als Kur gegen Eurozentrismus ins Feld geführt, andererseits wird genau jener „globale“ Anspruch als potenziell imperialistisch bewertet. In diesem Beitrag argumentiert Felix Anderl, dass für soziale Bewegungen und deren Theoretisierung weder das kosmopolitische Abfeiern des Globalen noch seine pauschale Kritik angemessen sind, da „das Globale“ unterschiedlich mobilisiert werden kann. „Lokal“ und „global“ sind sich gegenseitig bedingende Konstrukte, mit denen verschiedene Akteur*innen ihre jeweilige Agenda legitimieren. Deshalb betont der Beitrag die politische Dimension von Scales oder „Maßstabsebenen“.
In der Forschung zu Peacebuilding-Interventionen und sogenannter Entwicklungszusammenarbeit sind wir es gewohnt, von „lokalen“ Akteur*innen zu schreiben und über sie zu lesen. Aber was genau steckt eigentlich in dieser räumlichen Zuschreibung? Diese Frage ist umso interessanter, als kritische Analysen längst aufgezeigt haben, dass die Verortung als „lokal“ wenig dazu beiträgt, bestimmte Akteur*innen aussagekräftig zu charakterisieren. Dennoch wird an ihr festgehalten, weil sie praktisch und oft nahezu alternativlos erscheint. Allerdings bleibt diese räumliche Zuschreibung nicht ohne Konsequenzen. Ohne dass Autor*innen es notwendigerweise bewusst wollen oder entscheiden, impliziert die Verortung als „lokal“, dass es um „andersartige“ Akteur*innen im Globalen Süden geht, deren Eigenschaften und Probleme sich zudem grundlegend von denen im Globalen Norden unterscheiden.
Dieser Beitrag geht der Frage nach, welchen Nutzen das politics of scale-Konzept für die Interventionsforschung haben könnte. Im Rahmen internationaler Interventionen greifen externe Akteur*innen in einen Konfliktkontext ein, trennen kämpfende Seiten voneinander, bringen sie an den Verhandlungstisch und stoßen umfassendere Transformationsprozesse an, die Peacebuilding, Statebuilding und Entwicklung zum Ziel haben. Für Intervenierende stellt sich dabei die Frage, welche Akteur*innen, Institutionen oder Strukturen sie im Land unterstützen sollen. Der Beitrag diskutiert anhand der Interventionen in Bougainville und Sierra Leone Beispiele für eine unterschiedliche Schwerpunktsetzung internationaler Akteur*innen. Er zeigt auf, dass die Konstruktion bestimmter Maßstabsebenen (scales) als Ort einer Intervention wichtige Auswirkungen auf die Ausgestaltung der Intervention sowie den Post-Konflikt-Transformationsprozess insgesamt haben kann.
Debatten um empirisch unterscheidbare Staatsformen, staatliche Schwäche und Fragilität transportieren politische Raum- und skalare Ordnungsvorstellungen, die nur selten thematisiert werden. Der folgende Beitrag diskutiert diese Vorstellungen am Beispiel der Mogadishu International Airport (MIA) Zone, eine militarisierte Enklave inmitten Mogadischus, von der aus internationale Staatenbildung betrieben wird. Er verdeutlicht erstens, dass sich politische Räume in täglichen, oft konflikthaften und widersprüchlichen Praktiken konstituieren. Zweitens zeigt er wie sich dominante, an den Staat gebundene Ordnungsvorstellungen an der weltweiten Ausdehnung und Verdichtung von Infrastrukturnetzwerken und Logistikoperationen brechen. Drittens verweist der Beitrag auf das Zukunftsmodell modularer Souveränität, die sich flexibel kapitalistischen Anforderungen nach Flexibilität, Bewegung und Innovation anpasst.
Der Beitrag zeigt am Beispiel der Umsetzung des Klimaschutzprogramms REDD+ (Reducing Emissions from Deforestation and Degradation) und der Ausweitung des agroindustriellen Ölpalmenanbaus in Indonesien, wie räumliche Restrukturierung die Landrechte lokaler Bevölkerungsgruppen einschränken können. Zeitgleich ermöglicht die Entstehung neuer transnationaler Verhandlungs- und Bedeutungsebenen insbesondere indigenen Gruppen,Widerstand gegenüber Landnahmen durch die Agroindustrie zu leisten, indem sie lokale und nationale scales (scale jumping) überspringen und sich auf Regeln transnationaler Zertifizierungssysteme wie dem Roundtable for Sustainable Palmoil (RSPO) beziehen. Allerdings ist die agency der Akteur*innen von deren Wissen um Maßstäbe und ihre Bedeutungen abhängig und das emanzipatorische Potential von Maßstabswechseln muss im Kontext von Forderungen der Dekolonisierung von Ressourcenpolitik gesehen werden.
In der deutschen Politikwissenschaft werden geografische Begriffe oft noch nicht ausreichend kritisch reflektiert. Die zumeist geografisch ausgerichteten subdisziplinären Unterteilungen setzen der Erklärung komplexer und Ebenen-übergreifender, politischer Strukturen und Verflechtungen Grenzen. Zudem zementieren sie die Vorstellung einer quasi-natürlichen Hierarchie. Das der Humangeografie entlehnte Konzept der politics of scale eignet sich für eine Problematisierung von Raumkonstruktionen. Denn es betont die Konstruiertheit von Raum, und die Produktion unterschiedlicher Maßstabsebenen als Ergebnis sozialer Konflikte, ohne dabei a priori zu hierarchisieren. Es erlaubt zudem die Analyse der machtpolitischen Effekte bestimmter Skalierungen. Es kann somit sowohl politikwissenschaftliche Analysen verfeinern als auch die Sprechfähigkeit zwischen den Subdisziplinen verbessern – und schließlich neue Impulse für eine kritische Reflexion des Verhältnisses von Wissenschaft und Politik geben.