Deutsche Vereinigung für Politikwissenschaft

Global megatrends and international cooperation

Online course, Freie Universität Berlin, OSI, WiSe 2020/2021

Das Lehrprojekt Globale Megatrends und internationale Zusammenarbeit wurde im Rahmen meiner Deputatslehre im Wintersemester 2020/2021 am Fachbereich Politik- und Sozialwissenschaften der Freien Universität Berlin als Hauptseminar für Bachelor Studiengänge in englischer Sprache digital geplant und durchgeführt.  An dem Seminar nahmen 30 Studierende, einige Gasthörer*innen und geladene Expert*innen teil. Die Beiträge der Studierenden und geladenen Expert*innen fließen in ein Buchprojekt mit dem Titel „Globale Zukunftstrends und internationale Zusammenarbeit“ ein, das bei Ibidem und Columbia University Press im Frühsommer 2022 in englischer Sprache veröffentlicht werden soll (englischer Titel: Global Perspectives on Megatrends. The Future as Seen by Analysts and Researchers). Es ist angedacht, den Kurs perspektivisch auch an anderen Universitäten anzubieten, z.B. an Partneruniversitäten der Freien Universität Berlin.

Ziel des Lehrprojektes ist es, Studierenden die Möglichkeit zu geben, sich mit einer großen Bandbreite von Themen und Trends auseinanderzusetzen, die für die politikwissenschaftliche Forschung und die internationale Zusammenarbeit von großer Bedeutung sind, weil sie globale Entwicklungen wesentlich prägen. Zu den Megatrends zählen Klimawandel, Digitalisierung, wachsende Ungleichheiten, Urbanisierung, smart cities, gender shift und andere Trends.  Es gibt inzwischen eine steigende Zahl von Forschungseinrichtungen, internationalen Organisationen und Think Tanks, die zu Megatrends und anderen starken Trends („global shapers“) arbeiten, um Trends kritischer zu reflektieren als dies gewöhnlich von den frühen Fans der Megatrends – Consultingfirmen mit Beratungsinteressen – getan wird. Es geht darum, interkulturelle Dialoge zu Megatrends anzustoßen. Das Lehrkonzept zielt darauf ab, globales Kontextwissen zu vermitteln und die Arbeit von internationalen Think Tanks vorzustellen, über die auch Studierende der Politikwissenschaft oft noch wenig wissen.

Die Auseinandersetzung mit Zukunftstrends steht in engem Zusammenhang mit globalen Risiken. Den Zusammenhang zwischen Risiken und Trends hat z.B. das World Economic Forum (WEF) in seinen Jahresberichten (World Risk Reports) zu „global shapers“ herausgearbeitet.  In den ersten Sitzungen wurde eine Definition von Megatrends erarbeitet, die sich an dem von mir vorgestellten Pentagon Modell orientiert.

Das Seminar wurde sehr partizipativ gestaltet. Es wurde meinerseits auf strukturierte Diskussionen Wert gelegt. In den einführenden Sitzungen wurden Forschungsarbeiten und Berichte von verschiedenen Think Tanks zu Megatrends vorgestellt. Die Bachelor Studierenden waren z.T. noch wenig vertraut mit der Arbeit von Think Tanks, so dass z.B, auf das Projekt der University on Pennsylvania, das einen Global Go to Think Tanks Index Report erarbeitet, näher eingegangen wurde. Auch wurden die Schwerpunkte der Arbeit verschiedener internationaler Organisationen und Initiativen kurz vorgestellt, z.B. die Arbeit von Organisationen der Vereinten Nationen, Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, T20 Initiative (Think Tank 20) der G20 Gipfeltreffen, Belt and Road Initiative (BRI) sowie die Arbeit von Think Tanks aus dem Globalen Süden und Berichte internationaler NGOs zu Megatrend (z.B. Oxfam) kurz vorgestellt. Auch Konzepte von Instituten und Forschungsvorhaben, die sich speziell mit Zukunfts-forschung befassen, wurden vorgestellt, z.B. die future maps des Zunftsinstituts, die Verbindungen zwischen verschiedenen Zukunfstrends in Form einer Karte visualisieren, und dem Verbundprojekt food4future – Nahrung der Zukunft (f4f), einem größeren Forschungsvorhaben mit Beteiligung der Freien Universität Berlin, das untersucht, wie zukünftige Generationen mit ausreichend gesunden Lebensmitteln versorgen werden können.

Im Mittelpunkt des Seminars standen die Präsentationen der Studierenden zu den verschiedenen Megatrends, die – u.a. bedingt durch die Covid-19 Restriktionen – überwiegend individuell erarbeitet wurden. Jedem Thema wurden je nach Interesse ein bis drei Studierende zugeordnet, die die Diskussion eröffnen sollten, in dem sie Aspekte der Präsentation beleuchteten und Diskussionfsragen formulierten. Diese Struktur hat sich im digitalen Raum sehr bewährt und die Studierenden tauschten sich in der Regel ein bis zwei Tage vor der Präsentration untereinander aus. Viele der Studierenden erarbeiteten sogar eigene 3-5 minütige Ko-Präsentationen, die einer maximal 15 minütigen Hauptpräsentation zum Thema nachfolgten. In den Sitzungen wurden ein oder zwei Trends behandelt, so dass 90 Minuten oder 45 Minuten pro Thema zur Verfügung standen, die intensiv genutzt wurden. Es gab jeweils mehr Wortmeldungen und Beiträge als es die Zeit erlaubt. Die hohe Dichte des Seminars – Präsentationen, Beiträge der Korreferenten (discussants) und nachfolgende offene Diskussionen, z.T. mit externen inputs, kam bei den Studierenden gut an.

Den Studierenden wurde die Möglichkeit eröffnet, externe Expert*innen aus Wissenschaft oder Praxis zu einem Thema einzuladen. Dieser Vorschlag von mir wurde sehr gerne angenommen. Prof. Richard Wilkinson, international renommierter Forscher zu Ungleichheit und Gründer des Equality Trust, hielt einen kurzen Vortrag, dem eine sehr engagierte Diskussion nachfolgte. Einen weiteren Input leistete ein Praktiker, Herr Sergio Andrés Cortés Núñez, der in Berlin zum Thema Migration arbeitet. Einen dritten Experten, Dr. Behrooz Garleghi, der zu regionalen Kooperationsformaten im europäischen und asiatischen Raum arbeitet, lud ich zu der Sitzung zu „multi-polar world order“ ein.

 

Über den Autor

Dr. habil. Berthold Kuhn ist Politikwissenschaftler und Berater für internationale Zusammenarbeit im Bereich Politik und Governance für nachhaltige Entwicklung. Er hatte drei zeitlich begrenzte Professuren im Bereich public policy / international cooperation inne (Leiden University, Tsinghua University, Xiamen University). Zur Zeit ist er Privatdozent am Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaft (OSI) der Freien Universität Berlin. Er arbeitet seit vielen Jahren als Berater der Europäischen Kommission, der deutschen Entwicklungszusammenarbeit, Think Tanks, Beratungsunternehmen und gemeinnützigen Organisationen. Er hat Vorträge auf zahlreichen internationalen Konferenzen und Workshops in Europa, den USA, China und Afrika gehalten.

Über die Reihe „Herausragende Lehre in der deutschen Politikwissenschaft“

Dieser Beitrag wurde für den Lehrpreis Politikwissenschaft 2021 eingereicht. Der gemeinsame Preis von DVPW und Schader-Stiftung wurde 2020 neu geschaffen, um die besondere Bedeutung der politikwissenschaftlichen Hochschullehre sichtbar zu machen und die Qualität der Lehre in der deutschen Politikwissenschaft zu stärken. Der erste Lehrpreis Politikwissenschaft wurde an Sebastian Möller für sein Forschungsseminar „Schlüssel zur Welt: Die Bremischen Häfen in der Globalen Politischen Ökonomie“ im Sommersemester 2020 an der Universität Bremen verliehen. Die Jury möchte mit dieser Blog-Reihe die Vielzahl der Einreichungen innovativer und didaktisch anspruchsvoller Lehrprojekte würdigen.

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