Deutsche Vereinigung für Politikwissenschaft

Exploring the Global Political Economy Through Film – Zur filmbasierten Lehre in der Politischen Ökonomie

Projektkontext

Das vorgestellte Seminar habe ich vor dem Wintersemester 2020/2021 konzipiert, um auf zwei Problemlagen einzugehen. Die erste Problemlage war – und ist – struktureller Art und betrifft die Vermittlung politikwissenschaftlicher Wissensbestände im Bereich Politik und (Welt-)Wirtschaft, wie sie die Teildisziplinen der Internationalen und Vergleichenden Politischen Ökonomie verhandeln. Viele Studierende begegnen wirtschaftlichen Zusammenhängen mit Berührungsängsten und sehen in deren Analyse eine Prärogative der Wirtschaftswissenschaften. Das Ziel war daher ein problemorientiertes Seminarkonzept zu entwickeln, das die soziale und politische Konstruktion von ökonomischen Prozessen zugänglich macht und die Relevanz eines solchen Verständnisses unmittelbar verdeutlicht. Die zweite Problemlage ergab sich aus dem Umstand, dass bei zu erwartender Dynamik der Pandemie von einigen Studierenden (z.B. mit eingeschränkter Internetstabilität, von Zeitverschiebung Betroffene) überwiegend asynchron virtuelle Formate nachgefragt werden würden.

Seminarablauf

Exploring the Global Political Economy Through Film hat versucht diese Erfordernisse zu verbinden, indem es die Sitzungseinheiten entlang von Dokumentarfilmen gestaltete. Im Zentrum des Seminars stand die Erkundung zentraler Problembereiche der globalen politischen Ökonomie, die durch diese Dokumentarfilme zugänglich gemacht werden sollten, wie beispielsweise Rohstoffhandel, Finanzkrisen, Steuervermeidung und Aspekte der ökologischen Krise. Nach zwei synchronen Einführungssitzungen, die den Teilnehmenden Grundwissen vermittelten und auf ihre vorbereiteten Bemerkungen und Fragen eingingen, wechselte das Seminar in den asynchronen Modus nach folgendem Muster: (1) Eine Gruppe von Studierenden bereitete für eine entsprechende Sitzungseinheit einen mit mir besprochenen Video-Input vor, in dem sie Aspekte der Forschungsdebatte vorstellte, die mit dem entsprechenden Dokumentarfilm korrespondierten. (2) Im Anschluss an diese studentisch-wissenschaftliche Filmeinführung konnten die Teilnehmenden sodann die Dokumentation streamen und mit Blick auf die Forschungsdebatte einordnen. (3) Im letzten Schritt der Sitzung formulierten die Studierenden dann kurze Stellungnahmen und ggfs. Fragen zum Film/zur Forschungsdebatte im digitalen Forum des Kurses, aus denen sich im Idealfall von den Gruppen moderierte Diskussionen mit meiner Beteiligung entwickeln sollten. Zum Abschluss des Seminars fand nochmals eine synchrone Sitzung statt, um Inhalte und Form des Seminars gemeinsam zu reflektieren. Alle Elemente des Seminars wurden über die von der Universität Osnabrück genutzte Lehr-Lernplattform Stud.IP administriert und abgerufen.

Projekterfolg

Ich bin zu der Einschätzung gelangt, dass der Einsatz der Dokumentarfilme sowohl den Einstieg in die ‚Politik der Weltwirtschaft‘ erleichtert als auch eine Struktur für das Lernen unter den Bedingungen der Pandemie bereitgestellt hat. In der nach Abschluss der Veranstaltung digital durchgeführten Evaluation (Rücklaufquote ca. 50%) äußerten Studierende diesbezüglich: „Gerade das Einbringen von Medien neben der üblichen Literatur erleichterte ein kontinuierliches Lernen und Weiterbilden und stärkte zudem die Durchhaltefähigkeit und gewährleistete durchgehende Begeisterung und durchgängiges Interesse an dem Seminar und den vermittelten Inhalten“. // „The structure of the course was the best for such Lockdown period. Watching the real documentary was fun and fruitful. I learnt a lot with joy and passion.” // “Those movies made us think about interesting points that we would not think about ourselves (sand wars) while also looking at the obvious problems into the bigger detail (plastic, inequality).”

Zwei Seminaraspekte ließe sich m.E. für die politikwissenschaftliche Lehre gewinnbringend diskutieren. Zum einen bleibt der Einsatz hochwertiger Dokumentarfilme für die Hochschullehre meiner Einschätzung nach weiter hinter ihrem Potenzial zurück. Insbesondere lizenzrechtlich frei verfügbare Angebote, wie dem der Bundeszentrale für politische Bildung, können innovativ eingebunden werden und laden zur Diskussion ein. Zum anderen hatte ich den Eindruck, dass das Delegieren an die Studierenden, einen eigenen Video-Input bzw. Audioslides zu generieren, eine in der Pandemie didaktisch wertvolle Erfahrung darstellt, die sich von üblichen Referaten unterscheidet und technische Probleme synchroner Lehreinheiten umgeht.

Herausforderungen und Verbesserungsmöglichkeiten

Gleichwohl muss ich festhalten, dass ich mir bezüglich der Interaktion im Forum mehr Dynamik erhofft hatte. Tatsächlich meldeten mir die Studierenden zurück, dass sie durch die öffentliche Verschriftlichung ihres Filmkommentars gehemmter seien als in einer üblichen Diskussion im Seminarraum. Obwohl sie die Zeitflexibilität des asynchronen Formats schätzten, äußerten einige Studierende, dass das Format in der Präsenzinteraktion Ihrer Einschätzung nach zu mehr Diskussion und ggfs. weiteren Lerneffekten geführt hätte. Hier ist auch meine Dozentenrolle, die vornehmlich auf Feedback und inhaltliche Präzisierung zielte, nicht ausreichend definiert gewesen. Zuletzt sollte ich hinzufügen, dass für einige der Filme Lizenzkosten angefallen sind, die ein filmbasiertes Seminar nicht unbedingt verallgemeinerungsfähig und Anfangsinvestitionen erforderlich machen. Ein besseres Verständnis für den Einsatz von Filmen in der politikwissenschaftlichen Hochschullehre – ganz gleich ob als Illustrationsmaterial oder als Gegenstand von Kritik – könnte aber auch dazu beitragen, das von Bibliotheken und öffentlichen Bildungseinrichtungen bereitgestellte Medienportfolio zu stärken. Und davon würden nicht nur virtuelle, sondern auch analoge und hybride Lehrformate profitieren.

Anhang: Seminarplan

 

Über den Autor

Daniel Mertens ist seit 2019 Professor für Internationale Politische Ökonomie an der Universität Osnabrück.

Über die Reihe „Herausragende Lehre in der deutschen Politikwissenschaft“

Dieser Beitrag wurde für den Lehrpreis Politikwissenschaft 2021 eingereicht. Der gemeinsame Preis von DVPW und Schader-Stiftung wurde 2020 neu geschaffen, um die besondere Bedeutung der politikwissenschaftlichen Hochschullehre sichtbar zu machen und die Qualität der Lehre in der deutschen Politikwissenschaft zu stärken. Der erste Lehrpreis Politikwissenschaft wurde an Sebastian Möller für sein Forschungsseminar „Schlüssel zur Welt: Die Bremischen Häfen in der Globalen Politischen Ökonomie“ im Sommersemester 2020 an der Universität Bremen verliehen. Die Jury möchte mit dieser Blog-Reihe die Vielzahl der Einreichungen innovativer und didaktisch anspruchsvoller Lehrprojekte würdigen.

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