Deutsche Vereinigung für Politikwissenschaft

Steuerpolitik: Steuern in der Politikwissenschaft

Autor*innen: Lukas Hakelberg und Laura Seelkopf

 

Keine Regierung kann ohne Staatseinnahmen überleben. Denn Politiken und Machtinstrumente müssen finanziert werden. Im Laufe der Geschichte haben Herrschende daher geplündert, natürliche Ressourcen veräußert oder Schulden aufgenommen. Jede dieser Herangehensweisen hat jedoch klare Nachteile. Plünderungen lassen sich nicht beliebig oft wiederholen, Rohstoffe können ausgehen und Gläubiger*innen vergeben nur Kredite, wenn sie Vertrauen in die Zahlungsfähigkeit der Herrschenden haben. Dies setzt mindestens eine weitere Einnahmequelle voraus. Daher begannen frühmoderne Herrschende allmählich, Steuerstaaten aufzubauen. Heute gibt es mit der Ausnahme von Nordkorea kein Land mehr, das nicht mindestens eine moderne Form der Besteuerung anwendet. Moderne Staatlichkeit ist Steuerstaatlichkeit. Und diese durchdringt alle Bereiche der Gesellschaft.

Das Handbook on the Politics of Taxation, das wir herausgegeben haben, bietet Leser*innen einen Zugang zu den unterschiedlichen historischen Dynamiken, die zur weltweiten Verbreitung moderner Steuern beigetragen haben. Es analysiert, welche politischen Faktoren Art und Höhe der Besteuerung heutzutage bestimmen, wie inter- und transnationale Politik mit Innenpolitik interagieren und wie verschiedene Handelnde steuerpolitische Präferenzen entwickeln. Dabei zeigen die Beiträge, u. a. wie sich Besteuerung auf Ungleichheit zwischen Einkommensgruppen und Geschlechtern auswirkt, wie sie helfen kann, den Klimawandel zu bekämpfen und welche Herausforderungen Steuerstaaten und internationalem Steuersystem durch die Digitalisierung der Wirtschaft entstehen.

Ein Hauptziel des Handbuches ist, Politikwissenschaftler*innen für das Thema Steuern zu begeistern. Denn obwohl Steuern eng verknüpft sind mit zentralen Konzepten der Politikwissenschaft und Einfluss auf viele hochaktuelle Politikfelder haben, gibt es aus unserem Fach vergleichsweise wenig Forschung zu dem Thema. Dabei haben die Politikwissenschaften viel zu bieten, um das Verständnis der Einflussfaktoren auf und den Auswirkungen auf Steuersysteme zu verbessern - in der Forschung und für die öffentliche Diskussion.

Zuwenig Politikwissenschaft in der Steuerforschung

Doch noch vergeben wir als Fach diese Chance. Aus Abb. 1 geht hervor, dass die Ökonomie mehr Artikel zu Steuern veröffentlicht hat als alle anderen Fachbereiche zusammen. Die Politikwissenschaft liegt in dieser Übersicht lediglich auf dem siebten Rang. Schaut man auf die Wohlfahrtstaatsforschung ergibt sich ein genau gegenteiliges Bild. Hier hat unser Fach dreimal so viele Beiträge wie zur Besteuerung und doppelt so viele Artikel wie die Ökonomie produziert. Die Politikwissenschaft interessiert sich offensichtlich sehr viel mehr für die Ausgaben– als für die Einnahmenseite der Staatsfinanzen. Dabei kann die Einnahmenseite eine ähnlich umverteilende und regulierende Wirkung entfalten.

Blinde Flecken in der Analyse von Steuerpolitik

Hinzu kommt, dass sich der Großteil der Forschung, die es zum Thema Steuern gibt, auf die OECD-Länder fokussiert. Theorien, die auf Studien zu dieser Gruppe basieren, werden oft auf andere Weltregionen angewendet. Bei näherer Betrachtung stellt sich jedoch heraus, dass sie dort nicht funktionieren. Ein Grund für diese geographische Limitierung könnte die Herkunft der Forschenden selbst sein. Denn so gut wie keine Studie zum Thema Besteuerung wurde von Autor*innen aus Ländern mit geringem Einkommen erstellt.

Genauso wie Steuerdynamiken in den meisten Weltregionen untererforscht sind, fehlen uns weitgehend Erkenntnisse zum Effekt von Steuern auf verschiedene gesellschaftliche Gruppen. Steuersystem belasten Frauen und Männer zum Beispiel auf unterschiedliche Weise. Diese Unterschiede wurden bisher allerdings kaum thematisiert. Vielleicht liegt dies auch massiven Übergewicht von Männern unter den zu Steuern veröffentlichenden Autor*innen wie der Blogbeitrag zu Steuern und Geschlecht zeigt.

Vor diesem Hintergrund haben wir bei der Planung des Handbuches darauf geachtet, einen möglichst breiten geographischen Rahmen einzubeziehen und untererforschten Themen wie Kolonialismus oder Gender eigene Kapitel zu widmen. Zudem endet jedes Kapitel mit spannenden Vorschlägen für weitere Forschung. Ein Angebot von dem wir hoffen, dass es vor allem Politikwissenschaftler*innen annehmen werden. 

 

Über die Autor*innen:

Laura Seelkopf ist Assistenzprofessorin für Internationale Politische Ökonomie an der School of Economics and Political Science der Universität St Gallen, Schweiz.

Lukas Hakelberg ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Arbeitsstelle für Internationale und Vergleichende Politische Ökonomie des Otto-Suhr-Instituts der Freien Universität Berlin.

Über die Serie:

Diese Blogserie bietet einen Ausschnitt aus dem „Handbook on the Politics of Taxation“, das die aktuelle Forschung zur Analyse der Steuerpolitik zusammenfasst. Die Beiträge diskutieren wichtige Handelnde, die Rolle von Ideen und Institutionen und wie diese die Steuerpolitik beeinflussen, sowie welchen Einfluss die Steuerpolitik auf wichtige gesellschaftliche Ziele wie Gleichheit, Regierungsfähigkeit oder Demokratie hat. Die Autor*innen beleuchten hierbei verschiedenste Untersuchungseinheiten – von historischer zu zukünftiger Besteuerung, von subnational zu international und vom globalen Norden in den globalen Süden.

Dieser Beitrag basiert auf Kapitel 1 des Handbuchs: Lukas Hakelberg und Laura Seelkopf (2021): Introduction to the Handbook on the Politics of Taxation. In: The Handbook on the Politics of Taxation, Hakelberg/Seelkopf (eds.). Chapter 1: 1-15.