Deutsche Vereinigung für Politikwissenschaft

Steuerpolitik: CO2-Steuern: Segen oder Fluch für die Klimapolitik?

Autor*in: Lena Maria Schaffer

 

Nicht erst im Rahmen der kürzlich stattgefundenen Weltklimakonferenz in Glasgow ist die Wichtigkeit von CO2-Steuern zur Senkung der CO2 Emissionen in aller Munde. Die Bepreisung von Kohlenstoff wird als Königsweg zu dessen Reduktion gesehen. Warum ist das so? Eine Bepreisung rückt das Verursacher-Prinzip in den Mittelpunkt: diejenigen, die mehr CO2 ausstoßen, müssen auch mehr bezahlen. Dadurch werden die Kosten der Emissionen von schädlichen Treibhausgasen nicht mehr nur durch die Gesamtgesellschaft getragen, sondern fallen – zumindest teilweise – den Verursachenden zu. Diejenigen Privatpersonen und Unternehmungen, die einen größeren Carbon Footprint (CO2-Fußabdruck) haben, bezahlen mehr. Wenn sie dies nicht möchten oder können, setzt ihnen die Steuer einen Anreiz, Emissionen und damit Kosten durch den Einsatz von z.B. alternativen Energiequellen oder effizienteren Produktionsprozessen zu verringern. Kurz, der CO2-Preis verteuert klimaschädliches Verhalten und lässt den Markt den Rest erledigen. Zumindest in der Theorie sollte dieses marktbasierte Instrument der Menschheit dann doch helfen, der Klimakrise Herr zu werden, oder?

Warum sehen wir trotz der Dringlichkeit des Klimawandels so wenige Staaten mit CO2-Steuern?

Bisher haben laut dem Carbon Pricing Dashboard der Weltbank lediglich 27 Nationalstaaten eine CO2-Steuer bzw. einen CO2-Preis implementiert (Deutschland beispielsweise seit 1.1.21 im Rahmen des Klimaschutzprogramms 2030). Während die theoretische Überlegenheit einer CO2-Steuer aus ökonomischen Effizienzgründen gegenüber einer auf Regulierungen basierten Politik nahezu unumstritten ist, zeigt sich in der nationalen Umsetzung von CO2-Steuern sowohl dass (1) die tatsächlichen Emissionsreduktionen geringer als gedacht ausfallen, und (2) dass erhebliche politische Kosten durch die Implementation entstehen können: CO2-Steuern sind sowohl bei der Bevölkerung als auch der Industrie nicht sehr beliebt und Politiker müssen ggf. mit Stimmenverlusten rechnen. Beides hat sowohl mit der generellen Natur des Klimaproblems zu tun als auch zentral mit dem politischen Wettbewerb im Nationalstaat.  In meinem Handbuchkapitel zu den «Politics of Green Taxation» gehe ich in größerer Breite darauf ein, dass politikwissenschaftliche Forschung im Bereich Ökosteuern und CO2-Steuern zentral zu den wichtigen Debatten beitragen kann.  

1. Warum fallen die Emissionsreduktionen durch CO2-Steuern geringer aus als erhofft?

Klimawandel ist ein globales Problem und Klimaschutz ein globales öffentliches Gut. Das heißt prinzipiell, dass man unabhängig vom Ort des CO2 Ausstoßes zum globalen Klimawandel beiträgt; und egal wo man CO2 einspart, hilft man die globale Erwärmung zu verlangsamen. Eine nationale Steuer auf Kohlenstoffdioxid spart CO2 ein, verteuert jedoch Waren und Prozesse in diesem Land. Dadurch werden insbesondere COv-intensive Güter aus Ländern ohne CO2-Steuer relativ gesehen günstiger und deren Produktion gegebenenfalls dorthin verlagert (ohne dass es dann z.B. durch diese nationale CO2-Steuer zu einer Senkung der globalen Emissionen gekommen wäre). Hier spricht man von Carbon Leakage. Wenn wir uns nun den politischen Wettbewerb im Nationalstaat anschauen, wird klar, dass Vertreter*innen der energieintensiven Industrie die Möglichkeit dieses Szenarios selbstverständlich bereits vorauseilend in Diskussionen über die Einführung einer CO2-Steuer heranziehen. Durch die Sorge um eventuell abwandernde Arbeitsplätze, die dann auch von Arbeitnehmervertreter*innen mitgetragen wird, gelingt es diesen Unternehmen, sich von der vollen Wucht der CO2-Steuer zu befreien. Wenn insbesondere diejenigen Akteur*innen, die den grössten CO2-Ausstoss aufweisen ganz oder teilweise ausgenommen werden, kann die Steuer jedoch nicht in optimalem Ausmaß ihre Lenkungswirkung entfalten und die CO2 Reduktion fällt geringer aus als theoretisch erwartet.

2. Welche politischen Kosten sind gemeint?

Wir können empirisch beobachten, dass es schon unabhängig von ihrer Wirkung schwierig ist, eine CO2-Steuer überhaupt erst einzuführen bzw. zu erhöhen. Von den Protesten der Gelbwesten in Frankreich bis zu Australiens Kehrtwende und schließlicher Abkehr von der CO2-Steuer zeigt sich, dass die Verteilungswirkung von und Mehrbelastung durch die CO2-Steuer für einige Gruppen ernst genommen werden, adäquat adressiert und kommuniziert werden muss, um die grundsätzliche Zustimmung der Bevölkerung für mehr Klimaschutz nicht zu gefährden.

Aber alle wollen doch mehr Klimaschutz, oder?

Denn: Trotz der seit Jahren ansteigenden öffentlichen Wahrnehmung und Bedeutung des Klimaproblems (auch für die Regierungstätigkeit) und den immer deutlicher werdenden Auswirkungen der Klimakrise gibt es fundamentale Probleme, die Vorteile und Auswirkungen einer CO2-Steuer für die Bürger*innen zu kommunizieren. Dabei ist das klare Preissignal, das von einer CO2-Steuer ausgeht, leider eher Fluch als Segen. Während eine Erhöhung des Sprits an der Tankstelle sofort jeder Einzelnen auffällt und die Kalkulation möglicher Mehrkosten für den Haushalt von Ottilie Normalbürgerin ein Leichtes ist, ist der Nutzen der politischen Maßnahme dagegen nur langfristig zu spüren. Diese Diskrepanz zwischen direkten Kosten für den Einzelnen und langfristigem, eher verstecktem Nutzen für die Gesellschaft macht es wiederum sowohl der fossilen Industrie als auch populistischen Kräften leicht, progressive Klimapolitik durch Hinweise auf private Mehrkosten zu unterwandern.

In der Schweiz wurde das in diesem Jahr exemplarisch und sehr plakativ bei der Abstimmung zum CO2-Gesetz gezeigt. Das in Umfragen vor dem Start der Hauptkampagne jeweils relativ klare «JA» zum CO2-Gesetz (das u.a. auch eine Erhöhung der schweizerischen CO2-Abgabe beinhaltete) wurde durch die Nein-Kampagne der populistischen SVP und u.a. der Erdölkonzerne in den letzten Wochen vor dem Volksentscheid noch gekippt und schließlich wurde das progressive Klimapakets an der Urne abgelehnt. Die untenstehende Grafik zeigt die Verschiebung anhand einer von unserer Forschungsgruppe an der Universität Luzern durchgeführten repräsentativen Panel-Befragung zur Stimmabsicht beim CO2-Gesetz sehr deutlich. Wir haben Ende April und nochmals Anfang Juni 2021 (in den Tagen vor der Abstimmung) dieselben Leute befragt. Man sieht klar, dass es den Befürworter*innen des Gesetzes während der Hauptkampagnenphase kaum gelungen ist unentschlossene Stimmbürger*innen zu überzeugen, während es andererseits zu einem großen Zuwachs des «Nein»-Lagers durch die Kampagne kam.

Das Problem oder der Fluch solcher Kampagnen ist die polarisierende Wirkung auf die Gesellschaft und die Möglichkeit, Klimaschutz zu politisieren und potentielle Verlierer*innen (z.B. eines CO2-Preises) zu mobilisieren. Wenn sich Zustimmung oder Ablehnung von Klimaschutz, der prinzipiell alle betrifft (und bisher auch noch eine anhaltend hohe Unterstützung in der Bevölkerung erfährt) in z.B. parteipolitische Zugehörigkeit und sonstige Identität einreiht, wird es auf lange Frist noch schwieriger, dringend gebrauchte ambitioniertere Klimapolitik durchzusetzen.

Was kann man also tun?

Diese (und weitere) Probleme im Kontext von CO2-Steuern bringen nun einige Politikwissenschaftler*innen dazu zu argumentieren, dass Regierungen – anstatt die immensen politischen Kosten zu schultern, die durch eine Einführung oder Erhöhung einer CO2-Steuer entstehen – stärker auf Investitionen und Regulierung setzen sollten. Dadurch würde mittelfristig das fossile Interesse aus dem Zentrum der politischen Macht gedrängt und die Unterstützung der Bevölkerung für Klimapolitik erhalten. Während man nicht so weit gehen würde, der CO2-Steuer nur durch ihre zu hohen politischen Kosten komplett die Relevanz zur Bekämpfung der Klimakrise abzusprechen, lohnt es sich doch zu relativieren und sich zweier Dinge bewusst zu machen:

Ja, die CO2-Steuer ist ein wichtiges Instrument, aber man darf sie erstens nicht als das alleinige heilbringende Politikinstrument im Bereich Klimaschutz sehen und den Fehler machen, zu glauben, dass durch eine national erhobene CO2-Steuer und ggf. noch ein supranationales Emissionshandelssystem der Klimakrise Genüge getan wäre. Noch sollten Regierungen zweitens ohne Gedanken an Verteilungswirkung und politische Kosten eine Einführung oder Erhöhung anstreben. Die Forschung zur individuellen Akzeptanz ist sich hier weitestgehend einig, dass eine CO2-Steuer sozial verträglich und so universell, d.h. für alle gültig, wie möglich gestaltet werden sollte. Die Regressivität der Steuer, d.h. dass ärmere Haushalte hier tendenziell einen relativ grösseren Teil des Einkommens für z.B. Energie aufwenden müssen, kann hierbei über Rückzahlungen bzw. Dividenden an die Bevölkerung abgefedert werden. Flankiert mit weiteren klimapolitischen Vorstößen in Form von Investitionen und Regulierungen, die auch soziale Auswirkungen von Klimapolitik im Auge behält, kann eine adäquat designt und vor allem kommunizierte CO2-Steuer zweifellos den Regierungen helfen, ihre in Paris verabschiedeten Ziele zu erreichen.

 

Über die Autorin:

Lena Maria Schaffer  ist Assistenzprofessorin für Inter- und Transnationale Beziehungen an der Universität Luzern in der Schweiz.

Über die Blogserie:

Diese Blogserie bietet einen Ausschnitt aus dem „Handbook on the Politics of Taxation“, das die aktuelle Forschung zur Analyse der Steuerpolitik zusammenfasst. Die Beiträge diskutieren wichtige Handelnde, die Rolle von Ideen und Institutionen und wie diese die Steuerpolitik beeinflussen, sowie welchen Einfluss die Steuerpolitik auf wichtige gesellschaftliche Ziele wie Gleichheit, Regierungsfähigkeit oder Demokratie hat. Die Autor*innen beleuchten hierbei verschiedenste Untersuchungseinheiten – von historischer zu zukünftiger Besteuerung, von subnational zu international und vom globalen Norden in den globalen Süden.

Dieser Beitrag basiert auf Kapitel 14 des Handbuchs: Lena Maria Schaffer (2021): The Politics of Green Taxation. In: The Handbook on the Politics of Taxation, Hakelberg/Seelkopf (eds.). Chapter 14: 208-227.