Deutsche Vereinigung für Politikwissenschaft

Smart Cities in Theorie, Empirie und Praxis – Eine Lehrveranstaltung in Kooperation mit der Stadt Wesel. Ein Lehrprojekt von Julia Schwanholz und Ray Hebestreit

Autor*innen: Julia Schwanholz und Ray Hebestreit

Das Konzept der Lehrveranstaltung

Das Lehrforschungsprojekt wurde im Wintersemester 2021/22 als Seminar im Studiengang M.A. Politikmanagement, Public Policy und öffentliche Verwaltung an der NRW School of Governance am Institut für Politikwissenschaft, Universität Duisburg-Essen in Kooperation mit der Stadt Wesel durchgeführt.

Zentrales Thema des Seminars waren Smart Cities. Insbesondere weil die Kommune als Schule der Demokratie erachtet wird, schien die Untersuchung der lokalen Ebene ein besonders interessantes Reallabor zu sein, um Wechselwirkungen zwischen Demokratie und Digitalisierung mit dem Ziel der Nachhaltigkeit im direkten Nahbereich einer jeden Bürgerin und eines jeden Bürgers zu beobachten. Dafür konnte die Stadt Wesel, eine Kommune mit ca. 60.000 Einwohnern am ländlichen Niederrhein, als Praxispartnerin gewonnen werden.

Ziel der Veranstaltung war es, den aktuellen Stand der Stadt Wesel im Hinblick auf die Umsetzung des Konzepts einer Smart City zu analysieren, Potenziale und Herausforderungen herauszuarbeiten und der Stadtspitze anwendungsorientiert konkrete Handlungsempfehlungen für einen weiteren Ausbau der Smart-City-Bemühungen an die Hand zu geben.

 

Ablauf der Lehrveranstaltung

Die Studierenden des 3. Fachsemesters wurden zunächst in einem ersten, theoretisch-konzeptionellen Teil der Veranstaltung an das Konzept Smart City herangeführt und mit verschiedenen Verständnissen von Smart City aus unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen konfrontiert. Es wurde herausarbeitet, wie diese für die weitere Beschäftigung im Rahmen der Veranstaltung fruchtbar gemacht werden können.

Im zweiten, empirischen Veranstaltungsteil ging es anschließend um verschiedene Umsetzungsstände des Konzepts Smart City in Deutschland und international. Dazu wurden mittels externer Expert*innen aus Wissenschaft und Praxis u.a. beispielhaft verschiedene Smart-City-Modellkommunen unterschiedlicher Größen genauer in den Blick genommen und so ein Verständnis für differente Bedingungen, Herangehensweisen und Umsetzungsstrategien für Smart City geschaffen.

Auf Basis dieser theoretischen und empirischen Vorkenntnisse beschäftigten sich die Studierenden schließlich drittens im Praxisteil der Veranstaltung über mehrere Wochen in fünf thematischen Arbeitsgruppen (Gesellschaft, Verwaltung, Energie & Umwelt, Mobilität, IT & Kommunikation) praxisnah und anwendungsorientiert mit Entwicklungsständen und Potenzialen in der Stadt Wesel rund um Smart City und überprüften so die Möglichkeiten, aber auch Hürden einer umfassenderen Umsetzung von Smart City in Wesel.

Die Ergebnisse der Arbeitsgruppen wurden in Policy Briefs (Kurzdossiers) mit den derzeitigen Umsetzungsständen sowie konkreten Handlungsempfehlungen für die Stadt Wesel verschriftlicht und anschließend mündlich im Seminarkontext präsentiert. Im Verlauf des Seminars wurde zuvor durch eine Expertin aus der beruflichen Praxis vorbereitend vermittelt, was ein Policy Brief ist, wozu er dient und wie er erstellt wird. Die fünf Policy Briefs der Arbeitsgruppen wurden anschließend – zusammen mit einem einleitenden und kontextualisierenden Vorwort der Lehrenden – als Lehrforschungsbericht bzw. Abschlussbericht an die Bürgermeisterin der Stadt Wesel übergeben und die Ergebnisse mündlich dem Weseler Stadtrat sowie in einer Pressekonferenz vorgestellt.

 

Lernerfolge und Außenwirkung

Die hohe Qualität der Policy Briefs in Analyse und Handlungsorientierung unterstreichen den Erfolg des Konzepts, „wissenschaftliche“ – theoretisch-konzeptionelle und empirische – sowie „praktische“ Auseinandersetzung mit dem Thema Smart City zu kombinieren.

In den einführenden Theorieblöcken hatten die Studierenden zunächst die Möglichkeit, die praktische Erfahrung von Expert*innen auf dem Gebiet der Smart-City anzuhören, um sich so einen ersten Überblick über das Themenfeld zu verschaffen und dabei die Interdisziplinarität des Themas, wie Institutionen-, Akteurs- und Prozessperspektive, wie (Kommunal-)Politik und (Zivil-)Gesellschaft, Verwaltung(smodernisierung), Change Management als auch Policy-Perspektive, dazu Verkehr, Umwelt, IT und Kommunikation, zu berücksichtigen. Die eigenständige Datenerhebung und -auswertung bei der Bearbeitung half den Studierenden bei der Ausbildung ihrer Methodenkompetenz.

Die Studierenden erarbeiteten sich in interaktiven (Fach-)Diskussionen untereinander im Seminar, mit Gästen aus Wissenschaft und Praxis sowie mit Stakeholdern und Multiplikatoren aus Wesel fachspezifisches Wissen zu Smart Cities und erlernten, wie ein innovatives Thema mit Praxis- und Zukunftsrelevanz anwendungsorientiert bearbeitet werden kann.

Die umfangreichen Recherchen vor Ort in Wesel, das Verfassen der Policy-Briefs sowie die anschließende Übergabe an die Weseler Bürgermeisterin und die Vorstellung der Ergebnisse in einer Pressekonferenz wurden von den Studierenden als Möglichkeit genutzt, Erfahrung in der Kommunikation mit politischen Mandatsträger*innen, Verwaltungsmitarbeitenden, Unternehmensverantwortlichen und zivilgesellschaftlichen Stakeholdern der kommunalen Ebene zu sammeln und so erste Schritte im Aufbau eines Kontaktnetzwerkes auf kommunaler Ebene zu unternehmen.

Darüber hinaus hatte das Lehrforschungsprojekt und die Arbeit der Studierenden einen realen Impact auf die weitere Entwicklung des Konzeptes Smart Cities in Wesel, da sich die Stadtspitze (Bürgermeisterin, Verwaltung und Senat) weitergehend mit den Ergebnissen befassen will – und Teile der empfohlenen Maßnahmen inzwischen bereits in der Umsetzung durch die Stadt Wesel begriffen sind.

Die direkte Interaktion mit politischen Entscheidungsträger*innen und die öffentliche Sichtarbeit durch eine Präsentation der Ergebnisse in einer Pressekonferenz und vor dem Stadtrat war eine zusätzliche Motivation der Studierenden, herausragendes Engagement für das Projekt zu zeigen und dadurch maßgeblich zu einem Erfolg des Lehrforschungsprojekts beizutragen.

Über die Autor*innen:

Dr. Julia Schwanholz ist Akademische Rätin am Institut für Politikwissenschaft an der Universität Duisburg-Essen.

Dr. Ray Hebestreit ist Forschungskoordinator der NRW School of Governance und Koordinator des Studiengangs Bachelor Politikwissenschaft am Institut für Politikwissenschaft der Universität Duisburg-Essen.

 

Über die Reihe „Herausragende Lehre in der deutschen Politikwissenschaft“
 
Dieser Beitrag wurde für den Lehrpreis Politikwissenschaft 2022 eingereicht. Der gemeinsame Preis von DVPW und Schader-Stiftung wurde 2020 neu geschaffen, um die besondere Bedeutung der politikwissenschaftlichen Hochschullehre sichtbar zu machen und die Qualität der Lehre in der deutschen Politikwissenschaft zu stärken. Der Lehrpreis Politikwissenschaft wurde in diesem Jahr an Dr. Julia Schwanholz und Dr. Ray Hebestreit für ihr Lehr-Forschungs-Projekt „Smart Cities in Theorie, Empirie und Praxis – Eine Lehrveranstaltung in Kooperation mit der Stadt Wesel“ im Wintersemester 2021/2022 an der Universität Duisburg-Essen verliehen. Die Jury möchte mit dieser Blog-Reihe die Vielzahl der Einreichungen innovativer und didaktisch anspruchsvoller Lehrprojekte würdigen.

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