Autorin: Natalie Rauscher
Seit mehr als 100 Jahren spielen große Stiftungen sowie Philanthropen und Philanthropinnen eine entscheidende Rolle in der US-amerikanischen Gesellschaft. Nach dem Vorbild der ersten großen Stiftungen, gegründet durch Industriemagnaten wie John D. Rockefeller oder Andrew Carnegie, haben sich reiche Amerikaner und Amerikanerinnen immer wieder dieses Vehikels bedient, um ihren enormen Wohlstand wohltätigen Zwecken zuzuführen. Das Verhältnis zum Staat, aber auch die allgemeine Meinung gegenüber Philanthropie in den USA, ist bis heute überwiegend positiv. Massive Steuervorteile können als de facto staatliche Subvention für wohltätige Spendenaktivitäten betrachtet werden, durch die die US-amerikanische Regierung jedes Jahr auf Milliarden Steuergelder verzichtet. Dies ist seit der Gründung der ersten großen Stiftungen natürlich mit der Annahme einhergegangen, dass sich deren Aktivitäten auf wohltätige Zwecke beschränken, vor allem auf Bereiche wie Kunst, Kultur, Religion, Wissenschaft, aber auch Bildung oder Armutsbekämpfung. Auch die allgemeine Bevölkerung der USA spendet einen enormen Teil ihres Einkommens für wohltätige Zwecke, doch die reiche Schicht spielt eine immer wichtigere Rolle und spendet heute teilweise Vermögen in ungeahnten Größenordnungen. Diese Tendenz wird seit einigen Jahren auch kritisch betrachtet – nutzen reiche Amerikaner und Amerikanerinnen ihren Reichtum aus, um sich Vorteile zu verschaffen oder sind sie wirklich an einer Verbesserung der Gesellschaft interessiert? Das Verhältnis der Gesellschaft zu den sogenannten „1%“ bleibt aber ambivalent: Zum einen gibt es Kritik an der „Megaphilanthropie“, zum anderen gehört es in den USA seit jeher zum gesellschaftlichen Leben und Ansehen dazu, sich wohltätig zu betätigen und parallel zu staatlichen Strukturen „Gutes zu tun“. Die Philanthropie in den USA prägt die amerikanische Gesellschaft in vielerlei Hinsicht also in enormem Maße. Wie dieser Blogbeitrag und der PVS-Artikel American philanthropy in the age of political polarization: Conservative mega-donors and foundations and their role in spreading climate skepticism zeigen, hat sich der philanthropische Sektor aber enorm gewandelt und wird auch zunehmend von Vermögenden dafür genutzt, politisch Einfluss zu nehmen, was z.B. im Feld der Klimapolitik besonders stark zu sehen ist. Hier sind, zum Teil auch durch neue Spendenmethoden, enorme Summen in die Finanzierung der Klimaskepsis geflossen, was nicht nur Auswirkungen auf die USA, sondern zunehmend auch über den Atlantik hinweg hat. Es ist zu vermuten, dass diese Aktivitäten dazu beigetragen haben, dass die USA keine Vorreiterrolle in der Klimapolitik spielen und effektive Klimapolitik weiterhin vor enormen Schwierigkeiten steht.
Wachsende politische Polarisierung in den USA
Seit den Anfängen der großangelegten Philanthropie Anfang des 20. Jahrhunderts hat sich dieser Sektor in den USA stark gewandelt, vor allem auch durch die starke politische Polarisierung, die sich seit dem Ende der 1960er Jahre zwischen dem liberalen und dem konservativen Lager in den USA vollzogen hat. Manche Teile des sogenannten third sector (gemeinnütziger Sektor) der USA haben sich verstärkt Themen und Methoden zugewandt, die heute nur noch schwerlich als ‚wohltätig‘ bezeichnet werden können. Vor allem konservative Stifter und Stifterinnen und ihre Organisationen haben philanthropische Aktivitäten zunehmend dazu genutzt neue, subtilere politische Einflussmöglichkeiten zu erschließen. Durch Stiftungen können zum einen Steuern gespart werden, zum anderen stehen Stiftungen in dem Ruf, politisch neutral zu sein und vor allem wohltätige Zwecke von allgemeinem Interesse zu unterstützen – beides nutzen Stifter und Stifterinnen für ihre Zwecke. Dabei ist die Finanzierung von Think Tanks durch Stiftungen eine Aktivität, die viele (konservative) Stifter und Stifterinnen verstärkt genutzt haben, um ihre politische Agenda voranzutreiben und langfristigen politischen Wandel herbeizuführen. Diese ‚Denkfabriken‘ ähneln häufig wissenschaftlichen Instituten, aber im heutigen polarisierten Amerika lassen sich bei vielen Think Tanks klare politische Ausrichtungen von konservativ, libertär, hin zu liberal und progressiv erkennen. Es geht Think Tanks darum, Themen akademisch zu unterfüttern und der Öffentlichkeit und politischen Meinungsträgern politische Erzählungen (Narrative) zu liefern. Auch engagieren sich Denkfabriken im politischen Gesetzgebungsprozess durch gezielte politische Beratung (policy advice). All dies tun sie häufig finanziert durch Großspenden von Stiftungen – und häufig auch mit einer klaren politischen Ausrichtung ihrer Arbeit.
Für diese indirekte politische Einflussnahmen werden aber immer öfter nicht nur traditionelle Stiftungen genutzt, sondern auch sogenannte Donor-Advised-Funds (DAFs). Der Zweck von DAFs gilt zwar weiterhin als ‚wohltätig‘ und ermöglicht somit Steuervorteile, die Aktivitäten von DAFs sind aber noch viel undurchsichtiger als die von Stiftungen. DAFs müssen keine Informationen zu Geldgebern öffentlich machen und so können Stifter und Stifterinnen eine Vielzahl an Zwecken unterstützen, ohne dass die Öffentlichkeit davon erfährt. So wird ein transparenter Diskurs zu etlichen politisch relevanten Themen verzerrt, da es im Unklaren bleibt, wer bestimmte Narrative und Themen – und mit welchem Interesse – überhaupt in den öffentlichen und politischen Diskurs einbringt.
Die Konservative Bewegung der USA und die Klimaskepsis
Ein Beispiel, bei dem die Strategie der konservativen Bewegung und deren Geldgeber in den USA sichtbar wird, ist der Klimawandel. Die Veränderung bzw. Verhinderung effektiver Klimapolitik ist spätestens seit den 1980er Jahren ein zentrales Ziel der konservativen Bewegung in den USA. Seitdem der Klimawandel als globales Problem identifiziert wurde, hat es eine massive Kampagne von konservativen und unternehmerischen Kräften gegeben, Klimapolitik zu verhindern oder enorm abzuschwächen. Die Finanzierung von Think Tanks war hierbei eine Strategie, objektiv wirkende Alternativen zum etablierten wissenschaftlichen Konsens zu schaffen und massiv in die Öffentlichkeit zu tragen und auf die politische Agenda zu setzen. Diese Strategie scheint in den USA bis heute Erfolg zu haben – vor allem bei der Republikanischen Partei und deren Wählerschaft. Republikanische Wähler messen Klimapolitik weiterhin einen niedrigen Stellenwert bei und etliche Führungskräfte der Republikanischen Partei – einschließlich Donald Trump in seiner Zeit als Präsident – äußern immer noch Skepsis gegenüber der Wissenschaft, die den Klimawandel erforscht und dringend nötige Maßnahmen fordert. Dies hat dazu geführt, dass es lange weder innerhalb der USA effektive Maßnahmen gegen den Klimawandel gab, noch dass die USA eine internationale Führungsrolle in Klimafragen spielen.
Klimaskepsis und Transatlantische Zusammenarbeit
Doch dies ist nicht alleine für die USA ein entscheidendes Thema. Zunehmend bildet sich eine transatlantische klimaskeptische Kooperation zwischen den USA und Europa heraus. Auch in der EU haben einige ‚Denkfabriken‘ (z.B. EIKE: Europäisches Institut für Klima und Energie) das Thema Klimaskepsis aufgenommen – vor allem jene, die rechtspopulistischen Parteien nahestehen, wie etwa EIKE der AfD in Deutschland – und liefern nach US-amerikanischem Vorbild alternative Narrative zum Klimawandel, die sie in die öffentliche Debatte und auf die politische Agenda bringen wollen. Hier kommt es zum Austausch von Vordenkern und Ideen zwischen Europa und den USA, aber auch zu monetärer Unterstützung durch konservative US-amerikanische Stiftungen. Noch ist das Thema Klimaskepsis in Europa weder in der Bevölkerung noch unter politischen Akteuren so weit verbreitet wie in den USA. Doch die transatlantische Zusammenarbeit zum Thema zeigt, dass rechte und konservative Kräfte daran arbeiten, dies zu ändern. Gut finanzierte und transatlantisch vernetzte Akteure könnten auch in Europa verstärkt Erfolge verzeichnen, wenn sie Ängste und Verunsicherungen in der Bevölkerung nutzen – ausgelöst durch Energiekrisen oder auch durch manche Streitigkeiten zwischen den etablierten Parteien im Bereich Energie und Klima – und ‚alternative‘ Narrative zum Klimawandel liefern.
Lesen Sie den ausführlichen Artikel zum Thema in der PVS!
Über die Autorin:
Natalie Rauscher ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Heidelberg Center for American Studies der Universität Heidelberg.