Deutsche Vereinigung für Politikwissenschaft

Fünf Jahre Fridays for Future: Erfolge, Herausforderungen und Chancen zur Erneuerung

Von Greta Thunbergs ersten Protesten im Jahr 2018 über globale Demonstrationen von Millionen junger Menschen bis hin zur schwindenden Beteiligung während der Pandemie – die Klimabewegung Fridays for Future (FFF) hat einen bemerkenswerten Aufstieg erlebt, steht aber auch vor großen Herausforderungen. Anlässlich des fünfjährigen Jubiläums werfen wir einen Blick auf die Errungenschaften, die Entwicklung und mögliche Zukunftsaussichten der Bewegung. Gerade in Deutschland hat FFF besonders erfolgreich mobilisiert. Doch in den letzten Monaten standen radikalere umweltpolitische Protestgruppen, wie die Letzte Generation, vermehrt im Fokus der Medien. Hat FFF also an Relevanz verloren? Oder können beide Protestgruppen nebeneinander bestehen?

Einfluss der Bewegung auf Politik und Aktivismus

Fridays for Future konnte bedeutende politische Erfolge erzielen, indem die Bewegung gerade auch in Deutschland den Klimaschutz auf die politische Agenda setzte. Dies erreichte die Bewegung durch ihre außergewöhnliche Mobilisierungskraft und ihre globale Vernetzung. So protestierten beispielsweise am Klimaaktionstag 2019 weltweit mehr als 6 Millionen Teilnehmer*innen. Hierbei waren weite Teile der Protestierenden unter 25 und demonstrierten zum ersten Mal.

Auf individueller Ebene verstärkten die Proteste die Bereitschaft der Unterstützer*innen, ihr Konsumverhalten zu ändern. Sie reduzierten beispielsweise ihren Fleischkonsum und planten weniger Flugreisen. Auf politischer Ebene beeinflussten lokale FFF-Proteste direkt das Kommunikationsverhalten von Bundestagsabgeordneten zum Thema Umwelt. Darüber hinaus trugen die wiederholten FFF-Proteste zum Wahlerfolg der Grünen bei. Infolge der FFF-Proteste urteilte 2021 schließlich auch das Bundesverfassungsgericht, dass die Klimaschutzpolitik der Regierung unzureichend sei.

Besonders die zu erwartenden Langzeiteffekte der Proteste sind nicht zu unterschätzen. FFF hat viele junge Aktivist*innen aus unterschiedlichen sozialen Schichten politisiert. Einige der Aktivist*innen drängen auf politische Mandate, andere sind bereits zu wichtigen Stimmen im öffentlichen Diskurs geworden. Vor allem junge Frauen, die in Parteien und im politischen Aktivismus immer noch unterrepräsentiert sind, nehmen zentrale Positionen innerhalb der Bewegung ein. Bereits jetzt hatten die Proteste Auswirkungen auf Bürger*innen und Politiker*innen gleichermaßen. Die langfristigen Effekte der gesammelten Erfahrungen der Teilnehmer*innen und Aktivist*innen werden sich in den kommenden Jahren noch voll entfalten.

Wandel der Bewegung im Schatten von Corona

Nachdem FFF monatelang in bemerkenswerter Regelmäßigkeit jeden Freitag demonstriert hatte, beendete die Coronapandemie diese Mobilisierung im Frühjahr 2020 jäh. Großdemonstrationen prägten die Identität von Fridays for Future, waren aber nun nicht mehr möglich. Eine Ausweitung der Aktionsformen, beispielsweise durch Fahrrad- oder Online-Demonstrationen und Kunstaktionen, konnte nicht an die früheren Erfolge anknüpfen.

Tatsächlich war die Zahl der Teilnehmer*innen an den Demonstrationen aber schon vor der Covid-19-Pandemie rückläufig. Die anfänglich kontroverse Protestform des Schulstreiks bot kaum noch einen großen Nachrichtenwert. Nach der Aufhebung der pandemiebedingten Einschränkungen wurden die FFF-Demonstrationen im Laufe von 2021 zwar wieder aufgenommen, allerdings nicht mehr im Wochentakt.

Insgesamt konnte die Bewegung ihre ursprüngliche Mobilisierungsstrategie nicht aufrechterhalten. Dennoch überlebte sie die Pandemie und ihre Organisationsstruktur erwies sich als bemerkenswert widerstandsfähig.

Die Letzte Generation: Konkurrenten oder Verbündete?

Während des Bundestagswahlkampfs 2021 trat die Letzte Generation als radikalerer Akteur der Umweltbewegung auf den Plan. Ihre höchst umstrittenen Protestformen zogen mehr mediale Aufmerksamkeit auf sich, als es Fridays for Future je vermocht hatte. Es zeigt sich, dass radikalere Protestformen, wie Farbanschläge und vor allem Straßenblockaden, einen höheren Nachrichtenwert besitzen. Die Letzte Generation profitierte außerdem davon, dass die Durchführung ihrer Aktionen weniger Aktivist*innen erfordert. Bereits eine Handvoll Menschen kann eine Straße für mehrere Stunden effektiv blockieren. Der Protest der Letzten Generation war dadurch in der Lage, die Lücke zu füllen, die durch die geringere Mobilisierung von FFF im Kontext der Pandemie entstanden war.

Der Aufstieg der neuen Protestgruppe zwingt FFF zu reagieren. Luisa Neubauer, eine von FFF bekanntesten Aktivist*innen, kritisierte kürzlich in einem Interview die Letzte Generation und bezweifelte die Wirksamkeit der gewählten radikalen Taktiken. Diese stünden im Gegensatz zu moderaten Forderungen wie einem Tempolimit auf Autobahnen.

Tatsächlich finden Klimademonstrationen à la Fridays for Future deutlich mehr Unterstützung in der Bevölkerung als die radikaleren Protestformen der Letzten Generation. Die Ablehnung von Angriffen auf Kunst und von Straßenblockaden wirkt sich jedoch nicht negativ auf die allgemeine Unterstützung von Klimamaßnahmen aus. Insgesamt sprechen beide Bewegungen mit ihren jeweiligen Strategien ein unterschiedliches Publikum an. Ungeachtet ihrer vermeintlichen Konkurrenz können FFF und Letzte Generation daher gut nebeneinander bestehen und sich sogar gegenseitig ergänzen.

Die soziale Frage als Weg zu neuem Einfluss?

Doch wie geht es weiter mit Fridays for Future? Seit 2023 versucht die Bewegung, neue Wege zu gehen. Im März hat sich FFF mit den Beschäftigten des öffentlichen Nahverkehrs zu einem von der Gewerkschaft ver.di organisierten Streik zusammengeschlossen. Die neue Strategie unterstreicht die Notwendigkeit, für sozialverträgliche Klimamaßnahmen einzutreten. Dieser Ansatz könnte sich als erfolgreich erweisen, um wieder die Aufmerksamkeit der Medien, der Öffentlichkeit und der Politik auf sich zu ziehen.

Doch die Pandemie und der Krieg Russlands gegen die Ukraine haben die politische Landschaft drastisch verändert. Beides hat die Preise in die Höhe getrieben, was die Bereitschaft der Bevölkerung zur Umsetzung kostspieliger Klimamaßnahmen verringert. Durch das Betonen der sozialen Frage in der Klimapolitik hat FFF die Chance, ein breiteres Publikum zu mobilisieren. So könnte die Bewegung zeigen, dass Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit sich nicht gegenseitig ausschließen, sondern zusammen gedacht werden müssen. Um an frühere Erfolge anzuknüpfen, muss sich Fridays for Future neu erfinden. Und das tun sie bereits.

 

Dieser Blogeintrag wurde ursprünglich am 30. August 2023 auf englischer Sprache bei The Loop - ECPR’s Political Science Blog veröffentlicht.

 

 

Über die Autor*innen:

Leonhard Schmidt ist Doktorand an der Hertie School, Berlin.

Carina Siebler ist studentische Mitarbeiterin am Zentrum für Zivilgesellschaftsforschung am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung. 

Lennart Schürmann ist Post-Doktorand am Zentrum für Zivilgesellschaftsforschung am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung. 

Daniel Saldivia Gonzatti ist Post-Doktorand am Zentrum für Zivilgesellschaftsforschung am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung.