Deutsche Vereinigung für Politikwissenschaft

Die Metamorphosen der AfD-Wählerschaft: Von einer euroskeptischen Protestpartei zu einer (r)echten Alternative?

Innerhalb kurzer Zeit konnte sich die Alternative für Deutschland (AfD) erfolgreich im deutschen Parteiensystem etablieren. Sie ist mittlerweile in alle deutschen Landtage und ins Europäische Parlament eingezogen. Seit September 2017 ist sie auch – mit einem deutlich zweistelligen Resultat – im Bundestag vertreten. Dies wirft die Frage auf, welche ideologischen Überzeugungen zur Wahl der AfD führen? Als sie gegründet wurde, konnte die Alternative für Deutschland noch als bürgerliche Protestpartei mit eurokritischen Profil gelten. Doch seither, so der öffentliche Eindruck, hat sie sich zu einer typisch rechtspopulistischen Partei gewandelt. Doch lässt sich dieser vermutete Wandlungsprozess innerhalb der AfD-Wählerschaft tatsächlich belegen? Ändern sich die Motive für die AfD-Wahl im Zeitverlauf? Hat sich die ideologische Positionierung der AfD-Wähler im Links-Rechts-Spektrum verschoben und welche Rolle spielt Angela Merkels Flüchtlingspolitik 2015?

Um diese Fragen zu beantworten, werten wir Befragungen der German Longitudinal Election Study (GLES) von 2013 bis Ende 2016 aus. Die mehrmals jährlich durchgeführten Befragungen ermöglichen es, langfristige Veränderungen in der Wählerschaft zu identifizieren und nachzuzeichnen.

AfD-Wandlung: Gründung > Richtungsstreit > Rechtsruck?

In den drei folgenden Abbildungen sind die Wahrscheinlichkeiten einer AfD-Wahl in Abhängigkeit zu Migrationsfragen, Links-Rechts-Verortung und der Sympathieeinstufung Angela Merkels im Zeitverlauf dargestellt. Dabei werden drei Zeiträume unterschieden: die Gründungszeit, die mit der Bundestagswahl 2013 endete, die Zeit des Richtungsstreits, die mit dem Austritt Bernd Luckes und vieler Mitgründer/innen zu Ende ging, und einen dritten Zeitraum, in der die Partei nicht nur beachtliche Wahlerfolge bei Landtagswahlen erreichte, sondern sich deutlicher als zuvor als rechte Alternative der Öffentlichkeit präsentierte und auch von den Medien als solche wahrgenommen wurde.

AfD-Wähler/innen verorten sich zunehmend im rechten politischen Spektrum

Unsere erste Abbildung zeigt eine sehr deutliche Verschiebung hinsichtlich der politischen Ideologie: Während die AfD-Wählerschaft in der Gründungszeit kein explizit rechtes ideologisches Pro?l aufwies, und die AfD-Wahl kaum davon beeinflusst wurde, wo sich die Wähler/innen im politischen Raum verorteten, ist eine Rechtspositionierung seit dem zweiten Zeitraum und noch verstärkter seit dem dritten Zeitraum zu einem bedeutenden Faktor zur Erklärung der AfD-Wahl geworden: Je rechter sich die Befragten selbst einstufen, desto höher ist im Zeitverlauf die Wahrscheinlichkeit, dass sie für die AfD votieren.

„Einwanderer sollen sich der deutschen Kultur anpassen“

Die ideologische Rechtsentwicklung der AfD-Wählerschaft findet ihren Ausdruck auch in der konkreten Frage, inwiefern sich Einwanderer der deutschen Kultur anpassen sollten. Während die Einstellung gegenüber Migration im ersten Zeitraum keinen Einfluss auf die AfD-Wahl hatte, wird sie im zweiten und dritten Zeitraum zunehmend bedeutender. Unter den AfD-Wähler/innen sind im dritten Zeitraum besonders viele Personen, die der Aussage zustimmen, dass sich Ausländer der deutschen Kultur anpassen sollen. Im ersten Zeitraum war dies noch nicht der Fall.

AfD-Wähler/innen zunehmend Anti-Merkel

Somit kann eine deutliche Rechtsverschiebung und Migrationsskepsis der AfD-Wählerschaft beobachtet werden. Doch welche Rolle spielt Angela Merkel in diesem Prozess? Hat sie zum Erstarken der AfD beigetragen? Es scheint in der Tat so, dass die Bundeskanzlerin mit ihrer „Wir-schaffen-das“-Politik 2015 von den AfD-Wähler/innen zunehmend als die personifizierte Verantwortliche für eine gescheitete Migrationspolitik angesehen wird. Dementsprechend steigt die Wahrscheinlichkeit einer AfD-Wahl, wenn Befragte nichts von der Bundeskanzlerin halten.

Fazit

Die AfD hat sich in kurzer Zeit von einer euroskeptischen zu einer migrationskritischen und vor allem rechts-ideologischen Alternative in der bundesrepublikanischen Parteienlandschaft entwickelt. Diese Metamorphosen sind anhand der weltanschaulichen Ausrichtung ihrer Wählerschaft zu erkennen. Selbst wenn jene Wähler/innen, die sich aus Protest gegen die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin für die AfD im Sinne einer Denkzettelwahl entschieden haben, morgen wieder zu ihrer angestammten Partei zurückkehrten, böte die AfD noch immer ideologisch rechts verorteten Wähler/innen eine Heimat, die ihr vermutlich auch in Zukunft den Sprung über die 5-Prozent-Hürde erlauben würden. Die AfD hat sich im politische System Deutschlands fürs erste etabliert und besetzt den freien Raum rechts von CDU/CSU.

Der vollständige Artikel ist in der Politische Vierteljahresschrift (PVS – Ausgabe 3/2018) erschienen