Deutsche Vereinigung für Politikwissenschaft

Call for Papers

Populismus in Zeiten globaler (Un)Ordnung: Transdisziplinäre Perspektiven auf Akteure, Prozesse, Konflikte

5. bis 7. Oktober 2023 in Marburg

Tagung der Themengruppe Populismus (DVPW) in Kooperation mit der Themengruppe Diskursforschung (DVPW)

Organisation: Malte Albrecht, Daniela Caterina, Elena Dück, John Kannankulam, Kolja Möller, Benjamin Opratko, Johanna Schafgans Muñoz

Seit den 1970er Jahren lassen sich Transformationsprozesse von einer bipolaren hin zu einer multipolaren Weltordnung sowie mit ihnen verwobene Krisenerscheinungen beobachten. Die globale Finanz- und die Eurokrise, die Krise des europäischen Migrationsregimes, die Corona Pandemie und zuletzt die russische Invasion der Ukraine: Sie alle sind verbunden mit einer Transformation politischer Ordnungen, die teils drastisch als „Refeudalisierung” (Maus 2019), „Vielfachkrise” (Demirovi? 2011), „Postdemokratie” (Crouch 2004) oder „Prädemokratie” (Sauer 2011) interpretiert wird. Prozesse, die in den 70er Jahren bereits als „Legitimationskrise des Staates” (Habermas 1979, Offe 2006) oder als Entwicklung hin zu einem „autoritären Etatismus” (Poulantzas 1978) untersucht wurden. Begleitet wird diese Entwicklung von einer historischen Renaissance und Weiterentwicklung des Populismusbegriffs und einer kritischen Auseinandersetzung damit (Hall 1988, Laclau 2005, Bray 2015, Fassin 2019). Einerseits hat die (internationale) politische Ökonomie wichtige Impulse für das Verständnis der sozioökonomischen Ursachen in einer zweiten „Großen Transformation” (Polanyi 1944) gegeben (Demirovi? 2018, Manow 2018, Streeck 2021). Die Kontestation und Verteidigung von Institutionen der globalen Ordnung (Völkerrecht, VN, IWF) ist andererseits untrennbar mit Populismus verbunden und damit Untersuchungsgegenstand aktueller Forschung in den Internationalen Beziehungen (Copelovitch & Pevehouse 2019, Destradi & Plagemann 2019, Löfflmann 2022). Gleiches gilt für die Analyse von Sozialen Bewegungen und inter- bzw. transnationalen Vernetzungen populistischer Akteur*innen (della Porta 2020, McDonnell & Werner 2019, Subotic 2022, Wajner 2022).

Die Tagung „Populismus in Zeiten globaler (Un)Ordnung” soll auf theoretischer, methodologischer und empirischer Ebene einen Dialog zwischen diesen drei Forschungsrichtungen ermöglichen. Sie schafft damit einen Raum für die Präsentation aktueller Forschungsergebnisse, um das Potential eines transdisziplinären Zugangs zu diesem kontroversen Phänomen zu erschließen. Beiträge aus den folgenden Themenkomplexen und Fragestellungen sind von besonderem Interesse, darüber hinausgehende Einreichungen sind willkommen. 

Welchen Beitrag zum Verständnis von globaler (Un)Ordnung liefert die Forschung zur politischen Ökonomie des Populismus?

Nach vier Jahrzehnten fortschreitender Globalisierung wird dieser Prozess auch im globalen Norden wieder in Frage gestellt. Das uneingelöste Versprechen des Globalisierungsprojekts, eine gerechtere globale Ordnung zu schaffen, hat vielfältige Gegenbewegungen hervorgebracht. In diesem Kontext ist das Forschungsinteresse am Zusammenspiel von sozioökonomischen Dynamiken und populistischem Aufschwung in Europa angesichts des politischen Umgangs mit den Folgen der Covid-19 Pandemie oder der russischen Invasion der Ukraine gestiegen.

  • Welche Rolle spielt Populismus in der Vermittlung zwischen gesellschaftlichen Kräfteverhältnissen und politischer (Un)Ordnung?
  •  Wie gehen populistische Akteur*innen mit den sozioökonomischen Ursachen von Legitimationskrisen um – in der Regierung und in der Opposition?
  • Welche Verbindungen bestehen zwischen Konsens(verlust), gesellschaftlichen Widersprüchen und der (wirtschafts)politischen Programmatik populistischer Akteur*innen?

Welchen Beitrag zum Verständnis von globaler (Un)Ordnung liefert die Forschung zum Zusammenspiel von Populismus und internationalen Institutionen?

Zusammenhängend mit den globalen Verschiebungen gesellschaftlicher Kräfteverhältnisse verändert sich die Struktur und Ausrichtung internationaler Institutionen. Durch den Einflussgewinn populistischer Regierungen, Parteien und Bewegungen in der EU, der VN, aber auch in den weltwirtschaftlichen Institutionen wie der WTO oder dem IWF zeichnen sich Brüche, Blockaden und Konflikte ab, die eine nähere Analyse erforderlich machen. 

  • Welche Wirkungszusammenhänge bestehen zwischen der Veränderung supranationaler Staatlichkeit und populistischen Politikformen aus empirischer Perspektive und welche Herausforderungen ergeben sich für theoretisch-methodologische Herangehensweisen?
  • Wie verändert sich das Verhältnis zwischen Beteiligung am bestehenden Set der internationalen Institutionen einerseits und andererseits den Versuchen neuartige Institutionen und Foren zu etablieren?
  • Welche Strategien lassen sich im Prozess der Kontestation und Verteidigung politischer Ordnung(en) beobachten und inwieweit sind sie erfolgreich?

Welchen Beitrag zum Verständnis globaler (Un)Ordnung liefert die Forschung zu inter- und transnationalen Netzwerken des Populismus?

Kooperation und Vernetzung populistischer Akteur*innen stehen verschiedentlich im Fokus wissenschaftlicher Untersuchungen. Sei es, dass sich populistische Bewegungen/Regierungen vernetzen oder dass sie ein Verständnis von „Volk” entwickeln, worin die nationalstaatliche Volkssouveränität neu konzeptioniert wird. Es bleibt allerdings umstritten, wie diese Tendenzen einzuordnen sind. 

  • Welche Ansätze und Konzepte lassen sich an der Schnittstelle von Populismus- und Bewegungsforschung zur Analyse dieser Vernetzungen entwickeln?
  • Welche Strategien, Klassenbündnisse und Allianzen auf inter- und transnationaler Ebene lassen sich zwischen populistischen Akteur*innen in der Zivilgesellschaft bzw. Politik beobachten – und auf welche sozio-ökonomische Basis stützen sie sich?
  • Welche Erkenntnisse der Bewegungsforschung können in Bezug auf populistische Akteur*innen aus historischen (und regionalen) Vergleichen gewonnen werden?

Wir bitten um Abstracts zum geplanten Vortrag (300-350 Wörter) bis zum 20. Februar 2023 an populismus@dvpw.de. Die Teilnehmer*innen werden Ende Februar 2023 über eine Zusage informiert.

Ein Antrag auf die Erstattung von Reise- und Übernachtungskosten wird gestellt. 

Call for contributions to the CADAAD special issue and author’s workshop ‘Discourses of Covid-19 and the reconfiguration of the political’

Organized by the speakers of the discourse research group of the German Political Science Association (DVPW) Christiane Barnickel, Elena Dück and Amelie Kutter

The special issue “Discourses of Covid-19 and the reconfiguration of the political” to be published in the CADAAD Journal invites contributions that decipher what reconfigurations of the political have unfolded in and through the pandemic when looked at from a discourse perspective. Just as any other crisis debate, the debate about Covid-19 produced heroes, scapegoats and holders of extraordinary interpretive and political authority. At the same time, debates about Covid-19 appears to be specific in that they renegotiate, more radically than previous crises debates, what is admissible and acceptable between facts and fiction, freedom and repression, solidarity and social exclusion.

This special issue looks into how this renegotiation reconfigured the way we imagine and do politics. It raises the question how debates about Covid-19 challenged regimes of knowledge and shifted epistemic boundaries that used to constitute the political in our (democratic) societies. By focusing on ’the political‘, we aim to move beyond a mere understanding of ‘politics’ as procedures and processes of decision making and mine the specific contribution that discourse studies can make to the exploration of changing conceptions of the political.

Several authors have engaged in conceptualizations of the political from a discourse perspective – Jacques Rancière, Michel Foucault, Chantal Mouffe and Ernesto Laclau, to name just a few. They share a focus on the construction of ‘différence’ (Mouffe 1996: 247), thus overcoming the essentialist notion of the political as propagated by Carl Schmitt. The special issue adopts this focus on the construction of différence. It reveals the political struggles and the reconfiguration of social and political identities underlying debates about Covid-19. If we understand the political as the struggle about the “normalized order” of the “ways of doing, ways of being, and ways of saying” (Rancière 1999: 29), a discourse perspective on the political not only helps to reconstruct these very political struggles but also to critically assess their entanglement with questions of power.

We welcome contributions from different discourse theoretical approaches and different disciplines that are grounded in or connected to theoretical or empirical considerations on the political and its reconfiguration in and through crisis discourse. Individual papers might be inspired by – but are not restricted to – considerations of discourse and the political as elaborated by, e.g., Michel Foucault, Chantal Mouffe & Ernesto Laclau or Jacques Rancière.

Contributions can address, but are not limited to, questions such as:

  • How are social and political identities constructed in discourses on Covid-19? Which ’groups‘ are being constructed, what characteristics are attributed to them and which identities are ascribed to them?
  • Who is constructed as legitimate speaker or interpretive authority in discourses on Covid-19 (and who is not)?
  • How are struggles over discourse, power and knowledge organized?
  • How are epistemic boundaries reconfigured? (How) do different logics (e.g. of the political and scientific) arena operate and how are different types of knowledge integrated? (How) are boundaries between (non-)knowledge, truth and truthiness shifted?
  • What are the effects of the discursive struggles on the democratic political?

For all of the questions raised authors could also discuss

  • Which discursive strategies and practices reconfigure the political in Covid-19 discourse and how?
  • Which differences can be observed between
    • Different phases of the pandemic?
    • Different countries or discursive arenas and setting?
    •  The Covid-19 crisis discourse and other (crisis) discourse? And what can we learn from Covid-19 crisis discourse with regards to the (reconfiguration of) the political?

Timeline and Guidelines
Abstracts of 150-200 words in English should be submitted to diskursforschung@dvpw.de no later than 19 December 2022. Abstracts should point out what aspect or case of the (reconfiguration of) the political they will explore and what discourse approach is used. Submitters will be notified of acceptance within a few days after submission. Draft versions of accepted articles need to be submitted by 15 February 2023, to allow editors and other participants to read them in advance of the authors’ workshop. The authors’ workshop will take place online on the 23 and 24 February 2023.

At the authors’ workshop ‘Discourses of Covid-19 and the political’, we will discuss both substantive and editorial issues of the submitted contributions. Articles should follow the CADAAD Journal guidelines Guidelines (https://www.lancaster.ac.uk/fass/journals/cadaad/guidelines-update/) and be no longer than 8.000 words, excluding references.

Final versions of the contributions need to be submitted by 30 April 2023.

Important Dates & Deadlines:
Abstract submission deadline: 19 December 2022
Notification by editors: 23 December 2022
Submission first draft: 15 February 2023
Authors’ workshop (online): 23 and 24 February 2023
Submission of final version: 30 April 2023

20. Juli, 2022, 13-14h CET: Vorstellung des Krisen-Diskurs-Blogs und der Corona-Sonderausgabe

Am 20. Juli 2022, von 13.00 bis 14.00 Uhr, stellen wir den Krisen-Diskurs-Blog (CriDis) und seine Corona-Sonderausgabe am Viadrina Institut für Europa-Studien (IFES) auf Zoom vor. Sie haben die Gelegenheit, die Beiträge und das Blog-Projekt mit den Herausgeberinnen Dr. Amelie Kutter, Dr. Christiane Barnickel und Dr. Elena Dück zu diskutieren. Einzelne Autor:innen werden auch anwesend sein. Das Viadrina Institut für Europa-Studien (IFES), an dem schon der Workshop zur Corona-Sonderausgabe stattfand, wird diese Veranstaltung ausrichten. Dr. Anja Hennig wird als Moderatorin durch die Veranstaltung führen.

Sie sind / Ihr seid herzlich eingeladen.

Anmeldungen sind über diskursforschung@dvpw.de möglich. Sie erhalten dann rechtzeitig vor der Veranstaltung den Zoom-Link.

Über CriDis: Der Krisen-Diskurs-Blog (CriDis) ist eine Plattform für alle, die sich für Krisendiskurse interessieren. Wir bieten eingängige, aber wissenschaftlich fundierte, Analysen aktueller Krisendebatten. Wir untersuchen Sprachgebrauch, Frames, Bilder und Memes, mehrdeutige Begriffe und Diskurskonfigurationen, die nahelegen, eine Krise in einer bestimmten Weise anzugehen. Auch mit fotografischen Arbeiten und Illustrationen intervenieren wir in die Debatte. Wir glauben, dass uns Diskursanalyse und künstlerische Arbeit dabei helfen können, das mediatisierte Drama der Krise zu navigieren und seine politischen und gesellschaftlichen Auswirkungen zu verstehen.

Über CriDis-Sonderausgabe zu Corona: Diese Corona-Sonderausgabe des Krisen-Diskurs-Blogs untersucht Rekonfigurationen des Politischen, die mit der Pandemie auftreten und die sich dem Diskursforschenden zeigen: die Abgrenzungen von Vulnerabilität und Systemrelevanz, die soziale Gruppen ein- oder ausgrenzen, die Gouvernmentalität des ‚verantwortlichen Subjekts‘, die Ausweitung biopolitischer Kontrolle und ihre gleichzeitige Subversion, die Diskurse und Routinen des Ausnahmezustands. Die Beiträge machen sich Beobachtungen aus der Tschechischen Republik, Estland, Deutschland, Italien und Schweden zunutze. Die Corona-Sonderausgabe ist eine Initiative der DVPW-Themengruppe Diskursforschug.

s. auch https://www.crisis-discourse.net/de/2022/07/event-launch-of-cridis-and-its-covid-19-special-edition-at-ifes/