Im Vorfeld des DVPW-Kongresses 2024 haben wir die Kongressteilnehmer*innen in einer Online-Umfrage zu ihren Musikwünschen für die legendäre Kongress-Party befragt. Die Umfrage fand vom 27. August 2024 bis zum 9. September 2024 statt. 323 der insgesamt 1154 per E-Mail eingeladenen Kongressteilnehmer*innen haben an der Umfrage teilgenommen. Mit dem so gewonnenen Datenmaterial konnten wir unseren DVPW-Party-DJ, Andreas Nölke, bei der Erstellung einer empirisch unterfütterten Playlist unterstützen. Darüber hinaus erlaubt uns die Umfrage einige systematische Aussagen zu den Musikpräferenzen der deutschen Politikwissenschaftler*innen.
Lieblingssongs und Wunschinterpret*innen
Die Songwünsche für die Kongressparty spiegelten die Diversität der deutschen Politikwissenschaft. Es wurde deutlich, welch große Vielfalt der Geschmäcker und der unterschiedlichen Vorstellungen einer gelungenen Partynacht unter den Teilnehmer*innen vertreten war: nur wenige Titel wurden mehr als einmal genannt. Von insgesamt 277 Nennungen wurden 244 nur ein einziges Mal erwähnt. Bei den Interpret*innen gab es etwas mehr Übereinstimmungen aber auch hier wurden 226 Interpret*innen nur ein einziges Mal genannt. Neben altbekannten Partyhits wie ABBAs Dancing Queen, Peter Schillings Major Tom und Snoop Doggs et al. Young, Wild & Free gab es auch einige ausgefallenere Einzelnennungen wie der Schlager Mein Name ist Pascal von René Pascal, Puccinis Arie Nessun Dorma gesungen von Luciano Pavarotti oder Beethovens Klaviersonate Nr. 31, Op. 110 2. Satz. Diese beeindruckende musikalische Bandbreite bei der Kongressparty unterzubringen, haben wir mit Vergnügen dem DJ Andreas Nölke überlassen. Die gesamten Listen der gewünschten Titel und Interpret*innen sind am Ende des Beitrags aufgeführt.
Passend zum Thema des diesjährigen DVPW-Kongresses Politik in der Polykrise wünschten sich immerhin vier (!) Personen den Titel It’s the End of the World as We Know It (And I Feel Fine) von R.E.M. und stimmte damit in ein chaotisches, aber feierliches Endzeitszenario ein, das eine Interpretation zwischen Überforderung, Abstumpfung und Resignation einerseits und Optimismus gegenüber Umbruch und Veränderung andererseits offenließ. Eine ähnliche Stimmung trug das mit drei Stimmen am zweithäufigsten genannte Lied Exo-Politics von Muse, das über politische Interaktionen zwischen irdischen und außerirdischen Wesen phantasiert. Ob es sich hier um eskapistische Tendenzen oder um eine Faszination für neuartige Technologien handelte, bleibt der Interpretation überlassen. Ebenfalls drei Stimmen erhielten die Titel Mr. Brightside von The Killers sowie I Will Survive von Gloria Gaynor bzw. von CAKE. Beide Songs handeln von Beziehungskonflikten, zeugen aber gleichzeitig von Hoffnung, Resilienz und Durchhaltevermögen. Vor allem aber sind sie erstklassige Partyhymnen, die auch auf einer Kongressparty nicht fehlen sollten.
Bei den Interpret*innen erreicht Taylor Swift mit sechs Stimmen die häufigste Nennung. Hat vielleicht die Eras-Tour das Swift-Fieber auch in der Politikwissenschaft entfacht? Gleichauf an zweiter Stelle standen mit jeweils fünf Stimmen die Bands Die Ärzte, Muse und R.E.M., was die starke Dominanz von Rockfans unter den Kongressteilnehmenden andeutet.
Politikwissenschaft rockt: Rangliste der Musikstile
Dass die deutsche Politikwissenschaft rockt, zeigte sich dann auch in der Rangliste der beliebtesten Musikstile. Hier ist Rock der klare Favorit. Die Musikstilpräferenzen haben wir in einem Ranking erhoben, bei dem aus einer Liste von zehn Musikstilen drei ausgewählt und in eine Rangfolge gebracht werden konnten. Nach dem beliebtesten Stil Rock, der hundertmal auf den ersten Platz gewählt wurde, folgte mit großem Abstand und nur halb so vielen Erstplatzierungen Pop. Auf dem dritten Platz landete Techno. Die wenigsten Stimmen erhielten Jazz, Blues und Schlager.
Um die Hintergründe der Rockaffinität genauer zu verstehen, haben wir nach Zusammenhängen zwischen Statusgruppen und den thematischen Bereichen der Politikwissenschaft mit den Musikstilen gesucht. Während bei der inhaltlichen Ausrichtung der Kongressteilnehmer*innen kein Unterschied in der Rockaffinität zu erkennen war, gab es bei den Statusgruppen einige Auffälligkeiten. Rock landete in fast allen Statusgruppen auf dem ersten Platz – nur unter Studierenden waren Techno und Hip-Hop beliebter. Die größten Rockfans waren aber die Professor*innen! Im Abgleich mit den gewünschten Partysongs zeichnete sich bei den Professor*innen ein starker Einfluss des englischsprachigen 70er-Jahre Rock mit Bands wie den Rollings Stones, Queen und Pink Floyd ab, der durch deutschsprachige Bands der 80er Jahre wie Die Ärzte, Die Toten Hosen und Ton Steine Scherben ergänzt wurde.
Pop auf dem zweiten Platz und Punkfans in der politischen Theorie
Pop landete im Ranking auf dem zweiten Platz. Die größten Pop-Fans unter den Politikwissenschaftler*innen waren die Doktorand*innen und Post-Doktorand*innen. Bei Betrachtung der Liederwünsche der Popfans fanden sich verschiedenste Interpret*innen, vor allem aus den 90er und 00er Jahren. Besonders beliebt waren die Spice Girls, Destinys Child, Billie Eilish und Charli xcx. Anders als bei Rock zeigten sich bei den Popfans auch Unterschiede zwischen den verschiedenen Bereichen der Politikwissenschaft. Eine besonders starke Präferenz für Pop fand sich im Bereich Analyse Politischer Systeme sowie bei den Methoden. Am unbeliebtesten war Pop dagegen in der politischen Theorie, wo er nur auf dem sechsten Platz landete. Anders als es vielleicht vorschnell bei den Theoretiker*innen und Ideengeschichtler*innen hätte erwartet werden können, waren es nicht Klassik oder Jazz, die dem Pop den Rang abliefen. Vielmehr scheinen sich in der Politischen Theorie die Punkfans zu tummeln, denn Punk landete hier auf dem zweiten Platz hinter Rock.
BRD-Forscher*innen hören deutschsprachige Musik
Zuletzt haben wir uns Unterschiede in der Sprache der gewünschten Lieder angeschaut und sind dabei auf einen Zusammenhang gestoßen, der unsere Vorurteile voll und ganz bestätigt. Im Schnitt wünschten sich in allen Bereichen der Politikwissenschaft nur 21 % einen deutschsprachigen Titel. Im Vergleich dazu votierten die Vertreter*innen des Bereichs Politisches System der BRD mit 29 % am häufigsten für Songs in deutscher Sprache. Die internationaleren Musikwünsche kamen dagegen vermehrt aus der Politischen Theorie sowie – wer hätte es gedacht – aus den Internationalen Beziehungen. Darüber, ob hier der Musikgeschmack die Wahl der wissenschaftlichen Themen beeinflusst oder andersherum, können wir nur spekulieren.
Wenig Einigkeit im Detail, breiter Konsens im Großen und Ganzen
Alles in Allem hat uns diese Umfrage die enorme Diversität der Geschmäcker innerhalb der Politikwissenschaft vor Augen geführt. Insbesondere war es den Politikwissenschaftler*innen nicht möglich, sich auf einen Titel oder ein*e Interpret*in zu einigen. Im Detail finden wir also wenig Einigkeit – oder positiv formuliert: eine große Diversität. Allerdings war es keineswegs leicht, diese Diversität auf Unterschiede zwischen den thematischen Bereichen der Politikwissenschaft oder den Statusgruppen zurückzuführen. Die Vielfalt hängt also nicht einfach mit diesen Kategorien zusammen, sondern umfasst alle Bereiche und Gruppen unseres Faches gleichermaßen.
Dennoch können wir auch Konsens ausmachen: Während Rock in fast allen Statusgruppen dominiert, ist Pop besonders bei Doktorand*innen und Post-Doktorand*innen beliebt, und Studierende neigen stärker zu Techno und Hip-Hop. Und die Präferenz für deutschsprachige Titel ist bei den Wissenschaftler*innen besonders ausgeprägt, die sich auch beruflich mit deutscher Politik beschäftigen.
Liste der gewünschten Interpret*innen
Über die Autor*innen:
Sally A. Fitzpatrick (B.A.) ist studentische Mitarbeiterin am Göttinger Institut für Demokratieforschung an der Forschungs- und Dokumentationsstelle zur Analyse politischer und religiöser Extremismen in Niedersachsen (FoDEx) im Bereich Niedersächsischer Demokratie-Monitor.
Dr. Philipp Harfst ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Politikwissenschaft der Universität Göttingen. Er ist Projektmanager der Forschungs- und Dokumentationsstelle zur Analyse politischer und religiöser Extremismen in Niedersachsen (FoDEx) und verantwortlich für den Niedersächsischen Demokratie-Monitor.
Sarah P. Schmidt ist studentische Mitarbeiterin am Institut für Demokratieforschung.