Deutsche Vereinigung für Politikwissenschaft

Der Wandel der AfD-Wählerschaft im Zuge der zunehmend rechtsextremen Tendenzen in der Partei

29. April 2025

Autoren: Christoph Kühling, Frederik Springer und Markus Klein

 

 

Das sich fortlaufend wandelnde Gesicht der AfD

Die mehr als zehnjährige Geschichte der Alternative für Deutschland (AfD) ist durch eine kontinuierliche programmatische und personelle Entwicklung gekennzeichnet. Als Reaktion auf die europäische Schuldenkrise gegründet, wandelte sich die zunächst marktliberale Partei schnell zu einer rechtspopulistischen Partei. Die empirische Forschung zur Wählerschaft der AfD hat gezeigt, dass das Elektorat der Partei seit der Transformation zu einer rechtspopulistischen Partei dem typischen Wählerprofil dieser Parteien entspricht. Die Entwicklung hin zu einer rechtspopulistischen Partei war aber nicht das Ende der Parteientwicklung: In jüngster Zeit bewegt sich die AfD zunehmend in Richtung Rechtsextremismus. Dies zeigt sich nicht zuletzt daran, dass die Bundespartei seit März 2021 vom Verfassungsschutz als rechtsextremer Verdachtsfall geführt wird. Zahlreiche Landesverbände stehen ebenfalls unter Extremismusverdacht oder gelten sogar als erwiesen rechtsextrem. Vor diesem Hintergrund haben wir in einer aktuellen Forschungsnotiz in der PVS untersucht, welche Konsequenzen dieser Wandel in Richtung einer rechtsextremen Partei für die Wählerschaft der Partei hat.

 

Die Veränderung der AfD-Wählerschaft im Zuge des Wandels zu einer zunehmend rechtsextremen Partei

Unsere empirische Analyse basiert auf Daten des Politbarometers für den Zeitraum 2013 bis 2022. Um die Entwicklung der AfD-Wählerschaft zu beschreiben, haben wir für jedes Quartal berechnet, wie die im Mittelpunkt stehenden Variablen die Wahl der AfD (im Vergleich zur Wahl einer anderen Partei) beeinflussen. Die Ergebnisse präsentieren wir grafisch in Form sog. relativer Risiken. Dabei handelt es sich um leicht interpretierbare und über die Zeit vergleichbare Wahrscheinlichkeitsverhältnisse. Ein relatives Risiko von 2 bedeutet zum Beispiel, dass eine Gruppe zwei Mal so häufig die AfD wählt wie diejenigen, die nicht zu dieser Gruppe gehören. Da die Effekte der im Mittelpunkt stehenden soziodemografischen Variablen über politische Einstellungen vermittelt werden sollten, präsentieren wir lediglich die bivariaten Effekte (eine Darstellung der multivariaten Effekte findet sich im Online-Anhang unserer Forschungsnotiz).

Basierend auf der Annahme, dass Rechtsextremismus von vielen Wählerinnen und Wählern als Tabu angesehen wird, erwarten wir zunächst, dass die Wählerschaft der AfD zunehmend von extrem rechts positionierten Wählenden (Skalenwerte 9 bis 11) dominiert wird. Wie Abb. 1 zeigt, hat der Effekt der allgemeinen Links-Rechts-Selbstverortung tatsächlich deutlich zugenommen. In den Jahren 2020 und 2021 bekunden extrem rechts positionierte Befragte fünfmal häufiger eine AfD-Wahlabsicht als Personen, die nicht extrem rechts stehen. Dass der Effekt zum Ende des Untersuchungszeitraums leicht abnimmt, interpretieren wir dahingehend, dass die AfD wieder erfolgreicher ist, Wählende außerhalb der Kernanhängerschaft für sich zu gewinnen. Außerdem haben wir die Erwartung getestet, dass Hochgebildete von den extremistischen Tendenzen in der Partei besonders abgestoßen werden, da Bildung eine Schlüsselrolle für die Herausbildung demokratischer Werte spielt. Auch dies zeigt sich in unseren Daten: So ist der Effekt der Bildung (hohe Bildung vs. niedrige/mittlere Bildung), der lange Zeit auf einem Niveau um die 2 verharrte, seit 2021 auf ca. 3 angestiegen. Zuletzt war der Stimmenanteil der AfD innerhalb der Gruppe der Hochgebildeten also dreimal so hoch wie bei der übrigen Bevölkerung.

 

 

 

Schließlich zeigt unsere Analyse, dass sich parallel zur programmatischen Radikalisierung zunehmend eine immunisierende Wirkung des Beamtenstatus herausbildet (vgl. Abb. 2). Dies lässt sich damit erklären, dass Beamtinnen und Beamte einen Eid auf die Verfassung leisten und demokratische Werte besonders internalisiert haben sollten. Beamtinnen und Beamte äußern bis zu vier Mal seltener eine Wahlpräferenz zugunsten der AfD als Personen, die nicht im Beamtenverhältnis stehen. Dies ist der bei weitem stärkste Effekt einer soziodemografischen Variable in unserer Analyse. Aufgrund der stärkeren Verbreitung rechtsextremer Einstellungen im Osten haben wir letztlich erwartet, dass Westdeutsche der Partei stärker den Rücken kehren sollten. Wie die Abbildung 2 zeigt, hat der bekannte Ost-West-Unterschied in der AfD-Unterstützung in der Tat weiter zugenommen. Ab 2020 liegt das relative Risiko bei ca. 2,5, d.h. Befragte in Ostdeutschland bekunden 2,5-mal häufiger eine Wahlabsicht zugunsten der AfD als Befragte in Westdeutschland (der Effektzuwachs dieser Variable scheint aber stärker mit der Pandemie verknüpft zu sein).

 

 

Im Online-Anhang unserer Forschungsnotiz findet sich zudem eine getrennte Analyse für West- und Ostdeutschland, um zu prüfen, ob sich in den beiden Landesteilen auch verschiedene Elektorate herausgebildet haben. Auch wenn die Effekte der Prädiktoren grundsätzlich in die gleiche Richtung gehen, zeigt sich, dass die Effekte im Westen zuletzt stärker waren als im Osten. Mit anderen Worten: Während sich die AfD-Wählerschaft in den alten Bundesländern stark auf eine Kernanhängerschaft konzentriert hat, gelingt es der Partei in den neuen Bundesländern, breitere Teile der Gesellschaft anzusprechen. Dies deuten wir als Zeichen dafür, dass die Partei in Ostdeutschland, zumindest in gewissem Umfang, in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist.

Fazit: Klarere Konturen, aber heterogenes Profil im Osten

Insgesamt hat unsere Analyse die Erwartung bestätigt, dass die Wählerschaft der AfD auch im Zuge des Wandels zu einer zunehmend rechtsextremen Partei weiter an Kontur gewonnen hat. 

So konnten wir zeigen, dass sich die Wählerschaft der AfD mehr und mehr aus extrem rechts positionierten, niedrig bis mittel gebildeten sowie ostdeutschen Wählerinnen und Wählern zusammensetzt. Darüber hinaus hat sich im Zuge des Wandels der Partei eine stark immunisierende Wirkung eines Beamtenverhältnisses herausgebildet.

Nun stellt sich die berechtigte Frage, wie dieser Befund einer zunehmenden Konzentration auf eine Kernanhängerschaft mit den steigenden Stimmenanteilen der AfD in Einklang zu bringen ist. Hierbei ist zunächst darauf zu verweisen, dass die Unterstützung der AfD erst gegen Ende unseres Untersuchungszeitraums nennenswert zunahm. Zudem haben wir unsere Erwartungen allein aus der Veränderung der Partei abgeleitet. Für die Entwicklung der Wählerschaft einer Partei sind aber auch Veränderungen auf der Nachfrageseite, d.h. auf Seite der Wählerinnen und Wähler, bedeutsam: Und aktuell sehen wir, dass das Thema der Migration wieder die politische Agenda dominiert. Möglicherweise haben Krisen das Potenzial, das Tabu gegen Rechtsextremismus zu brechen, sodass es der AfD gelingt, auch Wählersegmente abseits der Kernanhängerschaft für sich zu gewinnen. Unsere getrennten Analysen für West- und Ostdeutschland deuten bereits darauf hin, dass das Tabu gegen Rechtsextremismus in Ostdeutschland weniger stark vorhanden ist, da die Wählerschaft dort deutlich heterogener ist.

 

Über die Autoren:

Christoph Kühling ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Politische Soziologie an der Leibniz Universität Hannover.

Frederik Springer war bis vor kurzem wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Politische Soziologie an der Leibniz Universität Hannover.

Markus Klein ist Professor für Politische Soziologie an der Leibniz Universität Hannover.