Seit gut 20 Jahren erscheinen mehr und mehr wissenschaftliche Publikationen im Open Access. Zu Beginn waren mit dieser Neuerung große Hoffnungen verbunden, so beispielsweise auf einen gleichberechtigteren wissenschaftlichen Diskurs, an dem auch Forschende aus dem Globalen Süden oder von finanzschwachen Einrichtungen besser teilhaben können. Heute überwiegt hingegen oft die Ernüchterung und Open Access wird vor allem mit hohen Kosten und einem stets wachsenden Einfluss internationaler Großkonzerne in Verbindung gebracht.
Was bedeutet „Open Access“ eigentlich?
Unter dem Begriff „Open Access“ (im Folgenden: OA) werden verschiedene Publikationspraktiken subsumiert, wobei teils komplexe urheberrechtliche und finanzielle Zusammenhänge bestehen. Im Kern meint OA den unbeschränkten und kostenlosen Zugang zu wissenschaftlicher Information im Internet.
Wichtig ist in diesem Zusammenhang der größere Kontext von „Open Science“. Unter diesem Oberbegriff werden diverse Aspekte gebündelt, von denen OA ein wichtiger ist (siehe Abb. 1).
Je nach Fachdisziplin und Publikationsform ist der Anteil von OA-Publikationen am gesamten Publikationsoutput unterschiedlich. Der OA-Anteil bei Zeitschriftenartikeln ist dabei disziplinübergreifend deutlich höher als bei Büchern. Für die Politikwissenschaft wie für alle anderen Disziplinen gilt jedoch: OA ist auf dem Vormarsch. Es geht mithin nicht mehr um die Frage, ob sich OA als dominante Publikationsform durchsetzen wird – zumal OA eine etablierte wissenschaftspolitische Erwartung ist und von Fördermittelgebern zum Teil bereits verbindlich eingefordert wird. Die entscheidende Frage ist stattdessen, in welcher Form und mit welchen Geschäftsmodellen OA sich künftig weiterentwickeln wird.
Geschäftsmodelle und Marktstrukturen
Wie eingangs angedeutet, gibt es verschiedene Formen des OA-Publizierens. Im Bereich politikwissenschaftlicher Zeitschriftenartikel ist derzeit der „Goldene Weg“ (Gold Open Access, siehe Abb. 2) am weitesten verbreitet, bei dem ein Artikel als Erstveröffentlichung in der Zeitschrift eines kommerziellen Verlags erscheint, wobei Publikationsgebühren (z. B. Article Processing Charge) anfallen.
Abbildung 2: Verschiedene Arten des OA-Publizierens (ZBW | Open Economics Guide (CC BY))
Wenn eingangs von Ernüchterung die Rede war, dann bezieht sich das ganz maßgeblich darauf, dass Wissenschaftler*innen heute mit OA oft weniger die Vorteile verbesserter Rezeptionsmöglichkeiten von Publikationen assoziieren. Stattdessen werden insbesondere die hohen und stets wachsenden Publikationskosten problematisiert, die für Gold (und Hybrid) OA von den Verlagen verlangt werden. Problematisch hieran ist unter anderem, dass dieses Publikations- bzw. Geschäftsmodell bestehende Ungleichheiten im Wissenschaftssystem verstärkt. So haben Forschende, die an finanzschwächeren Institutionen tätig sind (oder gar keine entsprechende Affiliation haben) nur eingeschränkte Möglichkeiten, Publikationsgebühren über ihre Einrichtung abrechnen zu lassen. Hinzu kommt, dass die Publikationskosten in der Regel umso höher sind, je (vermeintlich) renommierter ein Verlag, ein Journal, eine Schriftenreihe etc. ist.
Open Access ist jedoch nicht die Ursache des Problems. Wir haben es auf dem wissenschaftlichen Publikationsmarkt schließlich seit Jahrzehnten mit einem sich immer weiter verfestigenden Oligopol internationaler Großkonzerne zu tun. Die fünf größten Verlage (mit Blick auf die Zahl der von ihnen herausgegebenen Zeitschriften) sind dabei Elsevier, Springer Nature, Taylor & Francis, Wiley und Sage. Diese hielten nach einer Datenauswertung von Andreas Nishikawa-Pacher im Jahr 2022 über 12.000 von insgesamt rund 28.000 wissenschaftlichen Zeitschriften in ihrem Portfolio (siehe Abb. 3). Auf den ersten Blick wirkt diese Marktkonzentration sicherlich nicht übermäßig stark. Zu berücksichtigen ist hierbei jedoch, dass die Marktanteile der genannten Verlage bei den renommierten und etablierten Fachzeitschriften deutlich größer sind. Unter „Andere“ sind in Abbildung 3 sehr viele kleine Zeitschriften subsumiert, die allenfalls eine geringe Bedeutung für das jeweilige Fach haben. Zudem sind unter „Andere“ über 4.500 Zeitschriften von sogenannten „Predatory Publishers“ enthalten, die für den wissenschaftlichen Diskurs keine Rolle spielen.
Abbildung 3: Marktanteile der großen Wissenschaftsverlage basierend auf der Zahl der herausgegebenen Zeitschriften. Eigene Darstellung auf Grundlage von: Nishikawa-Pacher, A.: Who are the 100 largest scientific publishers by journal count? A webscraping approach, in: Journal of Documentation 78/7 (2022), S. 450–463. DOI:10.1108/JD-04-2022-0083.
Diese Marktkonzentration führte bereits vor dem Durchbruch der digitalen Transformation zu einem kontinuierlichen Ansteigen der Abonnement-Preise für Zeitschriften – was jedoch eher für Bibliotheken als für Forschende ein spürbares Problem darstellte. Mit der OA-Transformation findet lediglich eine Kostenverlagerung statt, die Preissteigerungsdynamik bleibt die gleiche.
Dass Open Access nicht kostenlos funktioniert, muss an dieser Stelle gesagt werden: Die technische Infrastruktur (inkl. Personalkosten) für ein Journal muss finanziert werden, für die Redaktionsworkflows braucht es eine gute Software, für Print-Produkte gibt es weiterhin Vertriebswege und im Idealfall sollte es auch so sein, dass redaktionelle Arbeiten vergütet werden. Die Publikationsgebühren, die die großen Verlage verlangen, sind von den realen Kosten jedoch völlig entkoppelt. Folglich erzielen die genannten Unternehmen Umsatzrenditen, die regelmäßig 30 % übersteigen. Um es etwas überspitzt zu formulieren: Ein Großteil der Steuergelder, die für Publikationsgebühren eingesetzt werden und die dem „Freikaufen“ der Forschungsergebnisse von ebenfalls öffentlich finanzierter Forschung dienen, wandert direkt in die Taschen von Aktionär*innen. Diese Gelder fehlen an anderer Stelle im Hochschulsystem und könnten zweifelsfrei sinnvoller eingesetzt werden.
Die DEAL-Verträge
Mitte der 2010er Jahre führte der erwähnte Kostendruck international zu verschiedenen Boykotten der oben genannten Verlage durch die Wissenschaftsorganisationen. Die Universitäten und Forschungseinrichtungen schlossen sich zusammen, um für alle Teilnehmenden wirksame Lizenzverträge mit den Großverlagen abzuschließen. In Deutschland sind daraus die sogenannten „DEAL-Verträge“ hervorgegangen. Die Verhandlungsziele aus Sicht der Wissenschaftsorganisationen bestanden vor allem darin, Kostentransparenz herzustellen, den Durchbruch der OA-Transformation herbeizuführen und der Preissteigerungsdynamik ein Ende zu setzen.
Die Vor- und Nachteile der DEAL-Verträge werden in der Wissenschaftscommunity intensiv debattiert. Mit Blick auf die Kostentransparenz beispielsweise wurden enorme Fortschritte erzielt und teilweise ist es gelungen, Preise (vorübergehend) konstant zu halten. Auf der anderen Seite ließe sich, wiederum etwas überspitzt konstatieren: Überzogene Preise bleiben überzogene Preise, auch wenn sie nicht noch weiter steigen. Zugleich verstärken die DEAL-Verträge und andere Transformationsverträge eine Dynamik, die große Verlage begünstigt und kleineren, unabhängigen Wissenschaftsverlagen zunehmend die Geschäftsgrundlagen im Zeitschriftenmarkt entzieht. Nicht zuletzt muss konstatiert werden, dass die Geschäftspraktiken der großen Verlage maßgebliche Prinzipien von Open Science (siehe Abb. 1) konterkarieren.
Wege aus der Krise
Ein alternativer Ansatz zum Voranbringen der OA-Transformation besteht im sogenannten „Diamond Open Access“ (im Folgenden: DOA). Gemeint ist dabei im Wesentlichen das nicht-profitorientierte OA-Publizieren in der Hand der Wissenschaft, wobei DOA-Geschäftsmodelle mit kleinen und mittleren, unabhängigen Wissenschaftsverlagen auch eine Option darstellen. Die Publikationen sind durch öffentlich finanzierte OA-Infrastrukturen (wie z. B. Universitätsverlage) sowohl für Leser*innen als auch für Autor*innen gebührenfrei.
In den vergangenen Jahren setzen sich die maßgeblichen Akteure wie beispielsweise die Allianz der Wissenschaftsorganisationen und die Leopoldina vermehrt für DOA ein. Zwei Kernprobleme stehen bisher jedoch einer Etablierung von DOA im Wege: (1) Die organisatorisch-rechtlichen Rahmenbedingungen erschweren eine Finanzierung von DOA-Projekten enorm. Konkret drückt sich das beispielsweise wie folgt aus: Veröffentlicht eine Forscherin, die an einer deutschen Universität tätig ist, einen Artikel in einer Springer-DEAL-Zeitschrift, kann sie die anfallenden Gebühren in aller Regel problemlos über ihre Universität abrechnen. Ist diese Forscherin jedoch Herausgeberin einer Zeitschrift und will diese in ein DOA-Modell überführen, wird sie von ihrer Universität in der Regel keine Zuwendungen erhalten können (die notwendig sind, um fehlende Publikationsgebühren aufzufangen), da anderenfalls von der Universität eine (überregionale) Infrastruktur finanziert würde, von der auch Angehörige anderer Universitäten profitieren. Unter dem Strich wären die anfallenden Kosten gleichwohl geringer, da viele Universitäten Publikationsgebühren einsparen würden. Eine faire Verteilung der anfallenden Kosten für die DOA-Infrastrukturen (inkl. Personalkosten) müsste jedoch realisiert werden. Zu nennen sind ferner (2) Fehlanreize im Reputationssystem Wissenschaft: Durch die große Bedeutung bestimmter bibliometrischer Indikatoren, wie dem Journal Impact Factor, stehen Forschende unter einem immensen Druck, in vermeintlich renommierten Journals zu publizieren. Dies befeuert eine sich selbst verstärkende Dynamik, von der die Großverlage profitieren und die das Etablieren alternativer Publikationsmodelle erschwert.
Fazit
Open Access ist auch in der Politikwissenschaft auf dem Vormarsch. Damit die OA-Transformation im Sinne der Wissenschaft und der Prinzipien von Open Science gelingen kann, braucht es jedoch grundlegende, strukturelle Veränderungen bei den Finanzierungsstrukturen und der Forschungsevaluation. Damit verbunden ist ein Bewusstseinswandel in der wissenschaftlichen Community vonnöten – auch wenn Appelle an (einzelne) Wissenschaftler*innen wenig hilfreich sind. Insbesondere die Fachgesellschaften und die Herausgebenden von Fachzeitschriften müssen diesen Wandel aktiv mitgestalten, um den wissenschaftlichen Publikationsmarkt nicht weiterhin den Großverlagen und deren wirtschaftlichen Interessen zu überlassen. Die DVPW hat mit ihrer Stellungnahme zu Open Access und Open Science hier einen Anfang gemacht.
Open-Access-Workshop für Politikwissenschaftler*innen
Am 12. Juni 2025 (13–15 Uhr, online) bieten die DVPW, der FID Politikwissenschaft – Pollux und das open-access.network unter dem Titel „Sichtbar, offen, wissenschaftsnah: Die eigene Publikationsstrategie entwickeln“ einen Open-Access-Workshop für Politikwissenschaftler*innen an. Informationen zum Inhalt und zur Anmeldung finden Sie im Portal meineDVPW.
Hinweis: Dieser Beitrag basiert auf dem Vortrag „Normativer Rahmen und die Hürden in der Praxis: Die Open-Access-Transformation in der (Politik-)Wissenschaft“ von Michael Czolkoß-Hettwer, 29. DVPW-Kongress „Politik in der Polykrise“, Panel D 30 | Open Access in der Politikwissenschaft: Chancen und Fallstricke angesichts dysfunktionaler Marktstrukturen. Die Folien dazu sind bei Zenodo veröffentlicht.
Über den Autor:
Dr. Michael Czolkoß-Hettwer ist Politikwissenschaftler und Projektkoordinator bei Pollux.
Über die Rubrik „Pollux. Für die Politikwissenschaft“
In der Rubrik „Pollux. Für die Politikwissenschaft“ berichtet das Team vom Fachinformationsdienst (FID) Politikwissenschaft – Pollux regelmäßig von neuen Angeboten und Entwicklungen aus den Bereichen Literaturrecherche, Open Access, Forschungsdatenmanagement, Wissenschaftskommunikation und weiteren Themen, die Informationsinfrastrukturen betreffen. Wir freuen uns über Ihre Rückmeldungen, Anregungen, Fragen und Kritik an kontaktpollux-fidde.
Mehr Informationen unter: www.pollux-fid.de
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