Deutsche Vereinigung für Politikwissenschaft

Wahlen in Ostdeutschland: Unterschiede zwischen Großstädten und Regionen finden sich auch in den ländlichen Regionen wieder

Die Wahl für den Landtag in Sachsen-Anhalt am 6. Juni 2021 war die letzte Landtagswahl vor der Wahl zum 20. Deutschen Bundestag am 26. September 2021. Die Ergebnisse wurden daher breit diskutiert: War es eine typisch ostdeutsche Wahl? Ist der geringe Stimmenverlust der AfD von 3,5% nun ein Erfolg für die Partei oder ein Dämpfer? Und lässt sich an dieser Wahl ein Trend für die kommende Bundestagswahl erkennen?

Wahlen in Ostdeutschland

Die Wahl fügt sich in einen Trend fast aller ostdeutscher Wahlen ein. Der kombinierte Stimmenanteil von Parteien rechts der Mitte (AfD, CDU, FDP) wächst seit 2010, während die Parteien links der Mitte (SPD, Grüne, Linke) Stimmenanteile verlieren (Abbildung 1).

Ein oft beschriebenes Phänomen ist zudem, dass die Grünen besonders stark in den Großstädten sind, während die AfD ihre hohen Stimmenanteile vor allem in ländlichen Gebieten erzielt. Dies lässt sich auch in Sachsen-Anhalt beobachten (Abbildung 2.1 und 3.2).

Es gibt allerdings nur zwei Großstädte in Sachsen-Anhalt: Halle (Saale) und Magdeburg. In den beiden Großstädten leben zusammen 500.000 Menschen. Die Mehrheit der 2,3 Millionen Bürger*innen wohnt in Regionen mit mittelgroßen Städten und kleineren Orten. Fraglich ist nun, ob es Unterschiede in den Stimmenanteilen der Parteien auch innerhalb der Regionen gibt. Sind die Grünen in den mittelgroßen Städten erfolgreicher als auf dem Land? Und umgekehrt: Ist die AfD umso erfolgreicher, je ländlicher eine Gegend ist, also besonders stark in Dörfern und kleinen Städten? Die Größe der Wahlbezirke ist ein interessanter Indikator für eine Untersuchung dieser Unterschiede.

Die Größe der Wahlbezirke als Indikator für den Stimmenanteil von Parteien

In Sachsen-Anhalt sind kleine Ortschaften nach den Gemeindegebietsreformen der 2000er Jahre inzwischen ein Teil von Einheitsgemeinden oder Städten. Der Weg zur Wahl soll

für die Wählenden in ländlichen Regionen dennoch angemessen sein. Die durchschnittliche Größe der Wahlbezirke trägt dem Rechnung: In den beiden Großstädten Halle (Saale) und Magdeburg umfassen die Wahlbezirke zwischen 1.000 und 1.500 Wahlberechtigte. In den Regionen mit Mittelstädten und Orten mit weniger als 10.000 Einwohner*innen sind oft weniger als 500 Wahlberechtigte einem Wahlbezirk zugeordnet. Dieses verdeutlichen auch die folgenden Abbildungen, in denen die Verteilung der Anzahl (Abbildung 2.2) und der Größe von Wahlbezirken (Abbildung 2.3) in Landtagswahlkreisen dargestellt wird.

Kleinere Wahlbezirke, höhere AfD Anteile

Finden sich Unterschiede im Wahlverhalten wie zwischen Großstädten und Regionen auch innerhalb der Regionen wieder? Unterscheiden sich die Ergebnisse zwischen den Städten und kleineren Ortschaften? Dies habe ich mit einem Modell untersucht, in dem ich den Stimmenanteil der sechs im Landtag vertretenen Parteien auf der Wahlbezirksebene untersuche.

Es zeigt sich, dass die Größe der Wahlbezirke durchaus einen Effekt hat: Die AfD ist besonders stark in kleinen Bezirken mit weniger Wahlberechtigten, die sich vor allem in weniger dicht besiedelten Regionen finden (Abbildung 3.1). Auch bei den Grünen lässt sich ein Zusammenhang zwischen der Größe des Wahlbezirks und dem Wahlerfolg erkennen, sie sind in den größeren, dichter besiedelten, städtischen Wahlbezirken erfolgreicher. Allerdings ist der Effekt weniger stark als bei der AfD. Interessanterweise lässt sich ein ähnlich relevanter Effekt für keine andere Partei finden. Der Wahlerfolg der CDU ist fast unabhängig von der Größe der Wahlbezirke, gleiches gilt für die Linke, die SPD und die FDP.

Nichtsdestotrotz: Die Unterschiede in den Stimmenanteilen der Parteien zwischen den Großstädten und den Regionen gibt es also auch innerhalb der Regionen, zwischen Städten und ländlichen Regionen. In kleinen, ländlicheren Wahlbezirken ist die AfD besonders stark.

Auch ein Blick auf die Wahlbeteiligung in den Wahlbezirken (Abbildung 2.2) ist interessant. Bei einer hohen Wahlbeteiligung steigt der Anteil der Stimmen der CDU und es sinkt der Anteil der Stimmen für die AfD. Für die anderen Parteien sind die Effekte weniger stark. Bei einer höheren Wahlbeteiligung profitiert die CDU besonders. Dieses zeigt, dass es sich für die CDU lohnen kann, gerade in den kleinen Wahlbezirken auf dem Land, in denen die AfD besonders stark ist, die Wähler*innenschaft zu mobilisieren.

Für die Bundestagswahl kann es heißen, dass es gerade der Erfolg in den kleinen Wahlbezirken ist, der für die CDU ein großes Potential bietet, besonders wenn es darum geht, die AfD zu schwächen.

 

Holger Döring ist Vertretungs-Professor an der Universität Bremen und ab August kommissarischer Leiter der GESIS Abteilung „Data Services for the Social Sciences (DSS)“ in Köln.Über den Autor