Deutsche Vereinigung für Politikwissenschaft
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Offener Brief zur Zukunft der Politikwissenschaft an der MLU Halle-Wittenberg

Sehr geehrter Herr Minister Prof. Dr. Willingmann,
sehr geehrter Herr Rektor Prof. Dr. Tietje,
sehr geehrte Fraktionsvorsitzende im Landtag von Sachsen-Anhalt,       

mit Sorge verfolgt die Deutsche Vereinigung für Politikwissenschaft (DVPW) die Reform- und Sparpläne an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, welche unter anderem starke Kürzungen im Bereich der Politikwissenschaft vorsehen.

Eine gute und breite Ausbildung im Fach Politikwissenschaft ist von hohem gesellschaftlichen Wert. Krisen der letzten Jahre (u.a. die Migrationskrise, die Corona-Pandemie, jüngst auch der Ukraine-Konflikt) und das Erstarken des Rechtspopulismus haben uns das deutlich vor Augen geführt. Auch die starke Nachfrage nach Studienplätzen in politikwissenschaftlichen Bachelor- und Masterprogrammen spiegelt die Bedeutung unseres Faches am Standort Halle wider. Nicht ohne Grund zählt der Studiengang „Parlamentsfragen und Zivilgesellschaft“ zu den am stärksten nachgefragten Masterprogrammen der Martin-Luther-Universität.   

Zu einer Zeit, in der eine fundierte politikwissenschaftliche Ausbildung von so großer Bedeutung ist, provozieren die im „Grobkonzept Partielle Fortschreibung und Aktualisierung des Hochschulentwicklungsplanes der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg“ vorgesehenen Sparmaßnahmen eine akademische Lehr- und Forschungssituation, die diesen Bedarfen nicht ansatzweise gerecht werden kann.

Die Zusammenlegung des Instituts für Politikwissenschaft mit dem heutigen Institut für Soziologie und die Streichung einer politikwissenschaftlichen Professur hätten gravierende Konsequenzen für die Ausbildung der Studierenden in den Bachelor- und Master-Programmen, nicht zuletzt auch in der Lehramtsausbildung im Fach Sozialkunde. Bei Reduktion einer politikwissenschaftlichen Professur könnte das wichtige und nachgefragte Studienangebot der Politikwissenschaft so nicht aufrechterhalten werden. An die Stelle politikwissenschaftlicher Studiengänge würden breitere, sozialwissenschaftliche Ausbildungswege treten. Diese können aufgrund ihrer thematischen Breite jedoch nicht gewährleisten, dass sich die angehenden Lehrer*innen, Journalist*innen, Politiker*innen etc. in hinreichendem Maße mit jenen Herausforderungen auseinandersetzen, welche die Zukunft liberaler Demokratien prägen werden. Populismus, der Wandel der Parteiendemokratie, die Zukunft Europas, die Genese von Identität und Solidarität in einer globalisierten Welt – all dies sind Themen von hoher Komplexität und Relevanz, und man könnte diese Liste zentraler politikwissenschaftlicher Forschungsfelder noch lange fortsetzen.

Die geplante Zusammenlegung der Professur für Politische Theorie und Ideengeschichte mit der Professur für Regierungslehre und Policyforschung wäre deshalb ein Fehler. Ein solcher Schritt würde weder dem Renommee des Instituts noch der Profilschärfung dienen, denn es wird kaum geeignete Kandidat*innen geben, die eine so breit definierte Denomination abdecken können und forschungsstark auf beiden Gebieten sind. Die Schrumpfung der politikwissenschaftlichen Professuren um eine Stelle hätte auch negative Folgen für die Forschung. Erfolgreiche Forschung bedarf individueller Expertise und innerfachlicher Kooperation. Hierzu benötigt es allerdings eine kritische Masse an Fachkolleg*innen aus den verschiedenen Kerndisziplinen der Politikwissenschaft vor Ort. Wird eine Professur gestrichen, ist diese kritische Masse unterschritten und ein wichtiges Teilgebiet nicht mehr abgedeckt.

Wir verstehen, dass die angemessene Finanzierung der Martin-Luther-Universität angesichts knapper Haushalte ein großes Problem für die Landespolitik und die Hochschulleitung darstellt. Nichtsdestotrotz bitten wir Sie dringend und mit Nachdruck darum, von den oben genannten Einsparplänen im Fach Politikwissenschaft abzusehen. Diese Sparmaßnahmen gingen vielleicht kurzfristig mit einer finanziellen Entlastung einher, für die Zukunft der Universität Halle-Wittenberg und des Landes Sachsen-Anhalt wären sie dennoch eine gravierende Hypothek.

Mit freundlichen Grüßen

Prof. Dr. Diana Panke, Vorsitzende der DVPW

Prof. Dr. Peter Niesen, Sprecher der DVPW-Sektion Politische Theorie und Ideengeschichte

Prof. Dr. Marion Reiser, Sprecherin der DVPW-Sektion Regierungssystem und Regieren in der BRD