Deutsche Vereinigung für Politikwissenschaft
Politik und Geschichte

"Politische Interessen im Vergangenheitsstreit"

Tagung der ad hoc-Gruppe "Geschichte und Politik" im Rahmen des DVPW-Kongresses in Mainz am 25.9.2003


Tagungsprogramm:


Claudia Fröhlich, Berlin:
Begrüßung und thematische Einführung


Andrea Genest, Berlin:
Zur "Europäisierung" nationaler Geschichtsdeutung - Geschichtspolitik in Polen seit 1989

Der politische Umgang mit der eigenen Vergangenheit in Polen seit 1989 ist geprägt durch die Politik des "dicken Strichs", ein Begriff, der von Ministerpräsident Tadeusz Mazowiecki geprägt wurde. In einer Rede setzte er 1989 auf die Integration der breiten Bevölkerung zugunsten einer selbstkritischen Auseinandersetzung der Gesellschaft mit der Volksrepublik bzw. mit der Zeit des Zweiten Weltkrieges. Gleichzeitig verlangte die Öffnung des Landes, die verstärkte Thematisierung der Geschichte der Juden in Polen sowie der eigenen Rolle während der deutschen Okkupation. Ein Ausweg scheint die "Europäisierung" von Geschichtslehren zu sein, wie sie beispielsweise auf der sog. Stockholmer Konferenz im Jahre 2000 zu beobachten waren.


Samuel Salzborn, Gießen:
Geschichtspolitik in den Medien: Die Kontroverse über ein "Zentrum gegen Vertreibung"

Die seit mehreren Monaten hitzig geführte Debatte über ein "Zentrum gegen Vertreibungen" und dessen mögliche Ausrichtung rückt erneut die Frage des öffentlichen Umgangs mit der NS-Vergangenheit und auch mit deren Nachgeschichte ins Blickfeld geschichtspolitischer Analysen. Die Diskussion zwischen den Befürwortern eines auf die deutschen Vertriebenen fokussierten "Zentrums gegen Vertreibungen", den Fürsprechern eines europäisch ausgerichteten Vertreibungszentrums und grundsätzlichen Gegnern des Projekts wird dabei bisher fast ausschließlich in den Medien geführt. Insofern soll anhand der aktuellen Kontroverse um ein "Zentrum gegen Vertreibungen" exemplarisch versucht werden, sich dem Themenfeld "Geschichtspolitik in den Medien" zu nähern.
Der Beitrag ist mittlerweile erschienen in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft, H. 12, 2003, S. 1120-1130.


Horst-Alfred Heinrich, Stuttgart:
Geschichte - Politik - Öffentlichkeit: Versuch einer theoretischen Bestimmung

Wenn Geschichtspolitik, wie sie von Edgar Wolfrum definiert wurde, ein Handlungs- und Politikfeld ist, auf dem verschiedene politische Akteure die Vergangenheit mit bestimmten Interessen befrachten und in der Öffentlichkeit um Zustimmung ringen, stellt sich nicht nur die Frage, welche Interdependenzen zwischen Politik, Wissenschaft und öffentlicher Meinung bestehen. Zu klären ist auch die Rolle des Publikums, der Gesellschaftsmitglieder, auf die die politischen Anstrengungen zielen. Der Beitrag versucht, den Ansatz der Geschichtspolitik in ein allgemeines theoretisches Modell einzuordnen und hierbei auch die Beziehungen zwischen Mikro- und Makroebene zu klären.