Deutsche Vereinigung für Politikwissenschaft

Möglichkeitsräume für Antisemitismus? Die Auswirkungen des Nahostkonflikts auf das Sicherheitsgefühl von Jüdinnen und Juden in Deutschland. Ein Beitrag von Heiko Beyer und Bjarne Goldkuhle

Unsere Studie untersucht die Auswirkungen des „Nahostkonflikts“ auf das Sicherheitsgefühl von in Deutschland lebenden Jüdinnen und Juden. Durch eine Online-Befragung, die von Mai 2022 bis Februar 2023 durchgeführt wurde, ergab sich, dass die Sicherheitsbedenken von Jüdinnen und Juden in Deutschland erheblich durch das Misstrauen in Gerichte, die Medienberichterstattung sowie die öffentliche Meinung vermittelt sind: Die Studie kommt zu dem Schluss, dass die Bedrohungswahrnehmung durch die Erwartung verstärkt wird, dass bei zukünftigen Eskalationen des „Nahostkonflikts“ die deutsche Bevölkerung nicht ausreichend zwischen Juden und Jüdinnen und israelischer Politik differenzieren wird, die Medien nicht ausreichend über Antisemitismus berichten und der Staat keinen ausreichenden Schutz gegen antisemitische Angriffe bietet.

Digitalisierung in Kommunen: Wo bleibt der erhoffte Durchbruch? Ein Beitrag von Justine Marienfeldt, Jakob Kühler, Sabine Kuhlmann und Isabella Proeller

„Warum geht das eigentlich nicht alles digital?“ ist ein Vorwurf, den Kommunen regelmäßig von Seiten der Politik, der Unternehmen sowie der Bürger*innen gestellt bekommen. Mit dieser Frage ist häufig die Hoffnung auf eine Vereinfachung im Umgang mit dem zuständigen Amt verbunden: Anträge nicht mehr ausdrucken, unterschreiben, wieder einscannen zu müssen, damit sie im Amt erneut ausgedruckt werden müssen. Aber kann dieser Erwartungsdruck die Digitalisierung in den Kommunen beschleunigen? In diesem Blogbeitrag argumentieren wir, dass die hohe Komplexität, die sich aus der Aufgabenvielfalt und der Einbettung in das föderale System ergibt, dazu führt, dass die Digitalisierung der Kommunen in Deutschland, Österreich und der Schweiz trotz des Willens der Beteiligten und der unterschiedlichen Ansätze der Digitalisierungssteuerung nur langsam und schrittweise erfolgt. Ein plötzlicher Durchbruch der Digitalisierung ist nicht zu erwarten.

Auf dem Weg in den Plattform-Sozialstaat? Das Onlinezugangsgesetz durch die Brille der sozio-technischen Innovationsforschung. Ein Beitrag von Maximilian Einhaus und Tanja Klenk

Das Onlinezugangsgesetz (2017, Novelle 2024) ist Deutschlands große Aufholjagd in die ehrenhaften Ränge internationaler Digitalisierungs-Rankings und ein gigantisches Entwicklungsprogramm digitaler öffentlicher Infrastruktur. Die allgemein gehaltenen Formeln im Gesetzestext delegieren fast alle Ausgestaltung in ein komplexes Netz dezentraler Governance, das noch viel umfassender Gegenstand politikwissenschaftlicher Implementierungsforschung sein könnte, als es sich bisher abzeichnet. Eine nun vorliegende Fallstudie der Autor*innen zeigt, wie sich der Weg in die Digitalität zwischen fristgerecht-bürokratischer „Elektrifizierung von Anträgen“ und politisch gehaltvollen Visionen zukünftiger (Sozial-)Staatlichkeit abspielen kann. Innerhalb des viel gescholtenen Innovationssystems deutscher Verwaltungsdigitalisierung bilden sich im untersuchten Fall www.sozialplattform.de die Konturen eines zukünftigen Plattform-Sozialstaats heraus – wenngleich von der Existenz eines solchen noch keine Rede sein kann.

Die Parteienlandschaft zur Europawahl 2024. Ein Beitrag von Jan Philipp Thomeczek, L. Constantin Wurthmann, Christian Stecker

Die Europawahl 2024 hat Entwicklungen im Parteiensystem sichtbar gemacht, die eine nachhaltige Transformation einleiten könnten. Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW), das formal vor einem halben Jahr noch gar nicht existierte, konnte bei seiner ersten Wahlteilnahme überhaupt mit 6,2% der Stimmen bei der Europawahl ein bemerkenswertes Wahlergebnis erzielen. Die Linke befindet sich dagegen elektoral im freien Fall und fällt mit 2,7% der Stimmen weit unter die bei Bundestagswahlen relevanten fünf Prozent. Mit den Freien Wählern und Volt konnten zwei aufstrebende Parteien mehr als zwei Prozent der Stimmen sammeln. Angesichts dieser massiven Verschiebungen stellen sich Fragen nach den inhaltlichen Angeboten der Parteien und ob insbesondere BSW oder Volt bestehende Nischen auf den Wähler*innenmärkten langfristig bedienen könnten. Unser Beitrag wirft einige Schlaglichter auf diese Fragen.

Blogs als Forschungsquelle. Eine Visualisierung der in Pollux erfassten Blogbeiträge. Ein Beitrag von Tobias Holtdirk

Der Fachinformationsdienstes Politikwissenschaft - Pollux integriert seit einem Jahr Beiträge aus über 350 politikwissenschaftlich relevanten Blogs. Dieser Beitrag gibt einen Einblick in die in Pollux nachgewiesenen Forschungsblogs und deren Themen und zeigt auf, dass Blogs eine wertvolle Quelle sind, um neben klassischen Publikationen auch aktuelle Debatten und Perspektiven zu verfolgen.

Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) – Eine populistische Partei? Ein Beitrag von Jan Philipp Thomeczek

Die programmatische Einordnung des BSW als links-konservative Partei wurde in der Öffentlichkeit bereits breit diskutiert. Weniger Beachtung hat jedoch die Frage nach der populistischen Ausrichtung von Wagenknecht und ihrer neuen Partei gefunden. In einem neuen Beitrag zeigt J. Philipp Thomeczek (Universität Potsdam) mithilfe von quantitativen und qualitativen Analysemethoden, dass sowohl Wagenknecht als auch das BSW das Etikett „populistisch“ verdienen.

Probleme und Potenziale der Forschungsinfrastrukturförderung für die Politikwissenschaft. Ein Beitrag von Michael Czolkoß-Hettwer

Die Forschungsinfrastrukturförderung in Deutschland ist, wie die Forschungsförderung insgesamt, stark auf Projekte orientiert und von Drittmitteln abhängig. Diese Konstellation birgt einerseits Potenziale, zum Beispiel für technische Innovationen zur Anpassung an den digitalen Wandel. Andererseits bringt diese Ausgangslage auch Probleme mit sich, vor allem im Hinblick auf einen nachhaltigen Betrieb der Forschungsinfrastruktureinrichtungen und die großen Herausforderungen von Open Science. Der vorliegende Beitrag beleuchtet diese Konstellation anhand des Beispiels des DFG-geförderten Fachinformationsdienstes (FID) Politikwissenschaft – Pollux und fragt danach, welche Rolle Forschende für die Weiterentwicklung der Forschungsinfrastruktur spielen können.

Welchen Parteien steht das BSW nahe? Eine Analyse mithilfe von Wahl-O-Mat Positionsdaten. Ein Beitrag von Philipp Thomeczek

Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) hat sich im Januar 2024 gegründet und tritt im Juni erstmals zu einer Wahl, nämlich der Europawahl an. Aufgrund der besonderen programmatischen Ausrichtung stellt sich die Frage, mit welchen anderen Parteien sich Schnittmengen ergeben. Dieser Fragestellung habe ich mithilfe der Positionsdaten der Parteien aus dem Wahl-O-Mat zur Europawahl analysiert.

Sympathien für Putin: Eine Folge politischer Entfremdung. Ein Beitrag von Lucca Hoffeller und Nils Steiner

Warum sympathisieren Menschen in Deutschland auch nach dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine noch mit Wladimir Putin und seinem Regime? Was bringt Menschen aus demokratischen Gesellschaften dazu, Autokraten aus dem Ausland zu schätzen? Unsere Forschung zeigt: Politische Entfremdung spielt eine zentrale Rolle. In Längsschnittanalysen mit dem GLES-Panel erweisen sich insbesondere mangelndes politisches Vertrauen und eine Neigung zu Verschwörungsdenken als zentrale Prädiktoren positiver Haltungen zu Putin und seinem Regime.

Rekorde im Westen – welche Faktoren erklären die Zugewinne der AfD in Hessen und Bayern? Ein Beitrag von Marc Debus, Julius Kölzer und Christian Stecker

Die AfD hat in Hessen und Bayern im Herbst 2023 ihr bislang höchstes und dritthöchstes Ergebnis bei einer westdeutschen Landtagswahl erzielt und gegenüber der letzten Landtagswahl 2018 deutlich hinzugewonnen. Wir gehen in diesem Beitrag der Frage nach, welche Faktoren die Höhe des Stimmenanteils der AfD sowie ihre Zugewinne erklären. Dazu ziehen wir die das Abschneiden der AfD auf Ebene der Städte und Gemeinden sowie deren sozioökonomische Eigenschaften heran. Diese kleinräumliche Analyse zeigt, dass die AfD heute besonders in Gegenden stark ist, in denen die Erfolge der Republikaner in den 1990er Jahren bereits auf ein bestehendes rechtsautoritäres Wählermilieu hinwiesen. Allerdings können diese womöglich weiterhin bestehenden Wählermilieus nicht mehr die Zugewinne der AfD seit 2018 erklären. Dies deutet darauf hin, dass die AfD inzwischen breitere Wählerschichten außerhalb einer rechtsradikalen Kernwählerschaft anspricht. Auch wenn unsere Analyse keine Schlüsse auf individuelle Wahlmotive zulässt, könnten zukünftige Betrachtungen der AfD-Wählerschaft von einer stärkeren Differenzierung zwischen Kernwähler*innen und neueren Wähler*innen profitieren.