Deutsche Vereinigung für Politikwissenschaft

2021

Wählen in Corona-Zeiten, Teil II: Wahlbeteiligung und asymmetrische Demobilisierung. Ein Beitrag von Philip Manow und Dominik Flügel

Ist die Pandemie der Grund für die niedrige Wahlbeteiligung an den ersten beiden Landtagswahlen des Superwahljahres? Nur, wenn man zusätzlich die mittelbaren Konsequenzen von Corona betrachtet: wie die Wählerschaft den Umgang der Politik mit der Krise wahrnimmt und ob es ein politisches ‚Ventil‘ für Unzufriedenheit gibt. In den beiden ersten Landtagswahlen des Superwahljahres scheinen vor allem CDU- und AfD-Wählerinnen und -Wähler aus diesen Gründen in die Enthaltung abgewandert zu sein.

Wählen in Corona-Zeiten, Teil I: die Briefwahl und ihre Effekte. Ein Beitrag von Philip Manow und Dominik Flügel

Sollte, wie von vielen erwartet, bei der kommenden Bundestagswahl die Briefwahlquote steigen und die Wahlbeteiligung sinken, könnte dies auch die Zusammensetzung der Wählerschaft verändern. Wie genau, lässt sich anhand der geographischen Verteilung der Briefwahlstimmen bei der letzten Bundestagswahl abschätzen. Tatsächlich sind es tendenziell urbanere und wohlhabendere Gemeinden, in denen viele Menschen per Brief wählen.

Der Konferenz zur Zukunft Europas fehlt eine klare Konzeption demokratischer Autorisierung. Ein Beitrag von Markus Patberg

Die „Konferenz zur Zukunft Europas“ soll auf partizipative Weise Vorschläge für Reformen der Europäischen Union erarbeiten. Doch ihr Aufbau läuft auf Top-down-Steuerung hinaus und lässt eine klare Vorstellung demokratischer Autorisierung vermissen. Die vorgesehenen Formen breiter, aber unsystematischer Inklusion könnten mit Blick auf das erklärte Ziel der Ermächtigung der Bürger*innen sogar kontraproduktiv sein.

Warum beeinflusst öffentliche Meinung (nur) manchmal Politik? Eine Analyse am Beispiel der Bildungspolitik. Ein Beitrag von Julian Garritzmann

Welche Bildungspolitik wollen Bürger*innen in Europa? Und spielt es für die Politiker*innen überhaupt irgendeine Rolle, was sie wollen? Wir haben diese Fragen im Detail analysiert und zeigen, dass öffentliche Meinung die Politik längst nicht immer beeinflusst. Es kommt vor allem darauf an, wie salient und wie kohärent die öffentliche Meinung zum jeweiligen Thema ist.

Klagende Verbände. Drei Logiken kollektiven Handelns. Ein Beitrag von Britta Rehder und Katharina van Elten

Gibt es in der deutschen Verbandslandschaft einen Trend zur Justizialisierung? Eine Studie der hundert Großverbände aus den Bereichen Wirtschaft, Soziales, Umwelt und Integration zeigt: Rechtsmobilisierung wird häufiger genutzt, allerdings mit Unterschieden innerhalb und zwischen den Politikfeldern. Politikfeldübergreifend zeigen die deutschen Großverbände drei Logiken justiziellen kollektiven Handelns: „Korporatistische Rechtsverfolgung“, „Public-Interest-Litigation“ und die „Abwehr rechtlicher Praktiken“.

Vielfältig und aus Überzeugung aktiv – Die Politikberatung deutscher Politikwissenschaftler*innen. Ein Beitrag von Jens Jungblut und Sonja Blum

Um die Relevanz der Politikwissenschaft dreht sich eine fortlaufende Debatte innerhalb der Disziplin. In einer neuen Studie stellen wir empirische Daten zur Politikberatungstätigkeit von Politikwissenschaftler*innen an deutschen Universitäten vor und zeigen, dass das Aktivitätsniveau höher ist, als es manche kritische Stimme vermuten ließe. Es zeigt sich ein vielfältiges Bild politikberatender Tätigkeiten; allgemeine Aktivität und Akzeptanz der Politikberatung erscheinen hoch. Politikberatung findet allerdings in eher akademischer Arbeit naher Form statt, z.B. über Publikationstätigkeiten. Gleichzeitig zeigt sich, dass „aktivere“ Kolleg*innen eher unbefristete Verträge haben sowie eher männlich sind.

Global Justice Now! Für eine Politisierung der Skalen. Ein Beitrag von Felix Anderl

Die Kategorie des „Globalen“ wird einerseits als Kur gegen Eurozentrismus ins Feld geführt, andererseits wird genau jener „globale“ Anspruch als potenziell imperialistisch bewertet. In diesem Beitrag argumentiert Felix Anderl, dass für soziale Bewegungen und deren Theoretisierung weder das kosmopolitische Abfeiern des Globalen noch seine pauschale Kritik angemessen sind, da „das Globale“ unterschiedlich mobilisiert werden kann. „Lokal“ und „global“ sind sich gegenseitig bedingende Konstrukte, mit denen verschiedene Akteur*innen ihre jeweilige Agenda legitimieren. Deshalb betont der Beitrag die politische Dimension von Scales oder „Maßstabsebenen“.

„Lokale“ Zivilgesellschaften und ihre Akteur*innen - was steckt in dieser räumlichen Zuschreibung? Ein Beitrag von Anne Menzel

In der Forschung zu Peacebuilding-Interventionen und sogenannter Entwicklungszusammenarbeit sind wir es gewohnt, von „lokalen“ Akteur*innen zu schreiben und über sie zu lesen. Aber was genau steckt eigentlich in dieser räumlichen Zuschreibung? Diese Frage ist umso interessanter, als kritische Analysen längst aufgezeigt haben, dass die Verortung als „lokal“ wenig dazu beiträgt, bestimmte Akteur*innen aussagekräftig zu charakterisieren. Dennoch wird an ihr festgehalten, weil sie praktisch und oft nahezu alternativlos erscheint. Allerdings bleibt diese räumliche Zuschreibung nicht ohne Konsequenzen. Ohne dass Autor*innen es notwendigerweise bewusst wollen oder entscheiden, impliziert die Verortung als „lokal“, dass es um „andersartige“ Akteur*innen im Globalen Süden geht, deren Eigenschaften und Probleme sich zudem grundlegend von denen im Globalen Norden unterscheiden.

Die politics of scale im Peace- und Statebuilding – Was wir aus den Interventionen in Sierra Leone und Bougainville lernen können. Ein Beitrag von Patricia Rinck

Dieser Beitrag geht der Frage nach, welchen Nutzen das politics of scale-Konzept für die Interventionsforschung haben könnte. Im Rahmen internationaler Interventionen greifen externe Akteur*innen in einen Konfliktkontext ein, trennen kämpfende Seiten voneinander, bringen sie an den Verhandlungstisch und stoßen umfassendere Transformationsprozesse an, die Peacebuilding, Statebuilding und Entwicklung zum Ziel haben. Für Intervenierende stellt sich dabei die Frage, welche Akteur*innen, Institutionen oder Strukturen sie im Land unterstützen sollen. Der Beitrag diskutiert anhand der Interventionen in Bougainville und Sierra Leone Beispiele für eine unterschiedliche Schwerpunktsetzung internationaler Akteur*innen. Er zeigt auf, dass die Konstruktion bestimmter Maßstabsebenen (scales) als Ort einer Intervention wichtige Auswirkungen auf die Ausgestaltung der Intervention sowie den Post-Konflikt-Transformationsprozess insgesamt haben kann.

Über Staaten, Container und die politische Einhegung globaler Infrastrukturmacht. Ein Beitrag von Jutta Bakonyi

Debatten um empirisch unterscheidbare Staatsformen, staatliche Schwäche und Fragilität transportieren politische Raum- und skalare Ordnungsvorstellungen, die nur selten thematisiert werden. Der folgende Beitrag diskutiert diese Vorstellungen am Beispiel der Mogadishu International Airport (MIA) Zone, eine militarisierte Enklave inmitten Mogadischus, von der aus internationale Staatenbildung betrieben wird. Er verdeutlicht erstens, dass sich politische Räume in täglichen, oft konflikthaften und widersprüchlichen Praktiken konstituieren. Zweitens zeigt er wie sich dominante, an den Staat gebundene Ordnungsvorstellungen an der weltweiten Ausdehnung und Verdichtung von Infrastrukturnetzwerken und Logistikoperationen brechen. Drittens verweist der Beitrag auf das Zukunftsmodell modularer Souveränität, die sich flexibel kapitalistischen Anforderungen nach Flexibilität, Bewegung und Innovation anpasst.