Deutsche Vereinigung für Politikwissenschaft

2020

Tierschutzpolitik im internationalen Vergleich – mehr Markt, mehr Staat, mehr Politikwissenschaft? Ein Beitrag von Colette S. Vogeler

Im Zuge der aktuellen klimapolitischen Debatten rückt der Konsum tierischer Produkte in den Fokus der Aufmerksamkeit. Zwar geht der Fleischkonsum in Deutschland tendenziell zurück, jedoch zählen wir nach wie vor zu den europa- als auch weltweit größten Fleischproduzenten. Die im internationalen Wettbewerb stehende und exportorientierte Branche ist hoch spezialisiert und regional stark konzentriert. Neben negativen Umweltwirkungen, wie die zuletzt durch den Europäischen Gerichtshof angemahnte erhöhte Nitratbelastung von Wasserressourcen, rücken tierschutzpolitische Aspekte in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Die Mehrheit der Europäer gibt in repräsentativen Umfragen an, dass der Schutz der Nutztiere, sogar vor dem Umweltschutz, eine der wichtigsten Aufgaben von Landwirten sein sollte (Eurobarometer Daten 2016). Ein weiteres Indiz ist die kürzlich abgeschlossene Europäische Bürgerinitiative (ECI) „End the Cage Age“, die sich für ein Verbot von Käfighaltung in der Nutztierhaltung einsetzt (mit über 1,5 Millionen Unterschriften zählt sie zu den drei erfolgreichsten ECIs überhaupt; ab 1 Million Unterschriften muss die EU Kommission über die Forderungen beraten).

Zufallsbürger*innen – Glücksfall für die Demokratie? Ein Beitrag von Susanne Pickel

Als Reaktion auf die Abwanderung vieler Wähler*innen zu rechtspopulistischen Parteien in Europa werden derzeit in der politischen Wissenschaft und Praxis diverse Formen der Bürgerbeteiligung diskutiert und durchgeführt. Zyklische Debatte über Partizipation und Deliberation umfassen u. a. Volksentscheide auf nationaler Ebene in Deutschland, die Möglichkeit eines Bürgereinwandes auf Landesebene in Sachsen, Bürgerräte in Belgien, die die legislative Tätigkeit der gewählten Repräsentanten dauerhaft flankieren sollen und Bürgerversammlungen auf nationaler Ebene in Irland, die Lösungen für zentrale gesellschaftspolitische Fragen wie die gleichgeschlechtliche Ehe und Abtreibung erarbeiten.

Wirtschaftlich links, kulturell rechts und politisch abgehängt? Die Auswirkungen der linksautoritären Angebotslücke. Ein Beitrag von Sven Hillen und Nils Steiner

Der politische Wettbewerb in Westeuropa und darüber hinaus wird häufig mit den Begriffen rechts und links umschrieben. Die zeitgenössische Forschung ist sich darin einig, dass man – um den politischen Wettbewerb heutzutage adäquat zu erfassen – zwischen wirtschaftlichen und soziokulturellen Fragen unterscheiden muss. Empirisch zeigt sich, dass viele westeuropäische Bürger in wirtschaftlichen Fragen eher linke Positionen und in soziokulturellen Fragen eher rechte bzw. autoritäre Positionen aufweisen. Von politischen Parteien wird eine solche linksautoritäre Position aber kaum vertreten. Wir haben uns in unserer Forschung mit den Auswirkungen dieser linksautoritären Angebotslücke auf die betroffenen Bürger beschäftigt. Wir wollten herausfinden, ob sich linksautoritär eingestellte Bürger seltener an Wahlen beteiligen, weniger Vertrauen in die politischen Institutionen und Akteure haben und unzufriedener mit dem demokratischen Prozess sind.

Welches Wahlsystem wollen Wähler? Ein Beitrag von Michael Jankowski, Eric Linhart und Markus Tepe

Stimmzettel ist nicht gleich Stimmzettel. Jeder Bürger, der sich regelmäßig an Wahlen beteiligt, stellt fest, dass sich die Stimmabgabe und Auswahloptionen bei Kommunal-, Landtags-, Europa- und Bundestagswahlen erheblich voneinander unterscheiden. Manchmal kann man mit nur einer Stimme eine Partei wählen, manchmal wählt man mit jeweils einer Stimme eine Person und eine Parteiliste und bei anderen Wahlen verteilt man zahlreiche Stimmen auf Kandidaten und/oder Parteien.

Wann gehen Menschen für Diktatoren auf die Straße? Ein Beitrag von Sebastian Hellmeier

Die Rolle von politischem Protest in nicht-demokratischen Staaten ist ein zentraler Untersuchungsgegenstand in der vergleichenden Politikwissenschaft. Soziale Bewegungen und Massenproteste können autokratische Herrscher aus dem Amt drängen und Demokratisierungsprozesse anstoßen. Die Ereignisse im Sudan und in Algerien in den letzten Monaten belegen dies in eindrucksvoller Weise. Weit weniger Beachtung finden in der Forschung Massenproteste, bei denen Bürgerinnen und Bürger nicht gegen, sondern für Machthaber und Regierungen demonstrieren, die nicht demokratisch legitimiert sind. Dennoch beobachten wir solche Proteste in einer Vielzahl autoritär geführter Länder, von Iran über Russland hin zu Venezuela. Unter welchen Umständen kommt es zu Pro-Regierungsdemonstrationen?

Warum es sich lohnt, die diskursive Konstruktion von Solidarität zu analysieren. Ein Beitrag von Stefan Wallaschek

Solidarität ist eines der Schlagworte europäischer Politik. Ob Eurokrise, Brexit oder europäische Migrationskrise, der Ruf nach Solidarität wird vielfach in der Öffentlichkeit geteilt. Dabei zeigen Studien zu den Krisen, dass Solidarität in der Krisenbewältigung fehlt. Was heißt also Solidarität und wie verstehen politische und gesellschaftliche Akteure Solidarität in Krisenzeiten?

Sexuelle Gewalt in Konflikten: Endlich soll wirksam gehandelt werden – nur wie? Ein Beitrag von Anne Menzel und Susanne Buckley-Zistel

Am 23. April 2019 nahm der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen (VN) die von Deutschland eingebrachte „Resolution 2467 zur Bekämpfung von sexualisierter Gewalt in Konflikten“ an. Diese Resolution erzielte zwei wichtige Errungenschaften: eine Stärkung der Rechenschaftspflicht, indem explizit auf die Möglichkeit von Sanktionen gegen sexuell gewalttätige Kriegsparteien hingewiesen wird, sowie eine Stärkung der Rechte von Überlebenden sexueller Gewalt. Aber was genau bedeuten derartige „Stärkungen“ für die Betroffenen konkret?...

Zustimmung zur harten Linie. Was die EU-27 Bürger über die Brexit-Verhandlungen denken. Ein Beitrag von Stefanie Walter

Die ungewöhnlich hohe Einigkeit der EU-27 Mitgliedstaaten in den Brexit-Verhandlungen hat auf britischer Seite zu Überraschung und Frustration geführt. Warum fährt die EU in den Brexit Verhandlungen so eine harte Linie?

Europawahl 2019: Zwischen welchen Parteien gab es die größten programmatischen Schnittmengen? Ein Beitrag von Andreas Wimmel

Ähnlich wie in anderen EU-Mitgliedstaaten war der deutsche Europawahlkampf maßgeblich durch die Gegenüberstellung von europafreundlichen und europaskeptischen Parteien geprägt. Auf der einen Seite gruppieren sich CDU/CSU, SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen, die den Prozess der europäischen Integration grundsätzlich befürworten und weiter vorantreiben wollen. Sie teilen die Auffassung, dass sich viele politische Herausforderungen unserer Zeit effektiver gemeinsam auf europäischer Ebene als allein im Nationalstaat lösen lassen. Auf der anderen Seite die Alternative für Deutschland (AfD) sowie DIE LINKE, die die Europäische Union und insbesondere die Folgewirkungen ihrer Politik hart kritisieren:...

Wie viel Macht haben Oppositionen? Ein Beitrag von Julian L. Garritzmann

Woran erkannt man Diktaturen? Nicht zuletzt am Umgang mit politischer Opposition. Kontroll- und Widerspruchsrechte werden in autoritär regierten Regimen ausgehöhlt, um die Macht der Herrschenden zu schützen. Im Gegenzug bedeutet dies, dass das Vorhandensein einer unbehindert arbeiteten Opposition demnach zentrales Merkmal von Demokratien ist. Man müsste also meinen, die Politikwissenschaft beschäftige sich ausgiebig mit diesem Thema – doch es gibt kaum Forschung zu Opposition. ...